junge Welt, 31.03.2000

Gegen Geschäft mit dem Tod

Bei Ostermärschen demonstriert die Friedensbewegung. Kundgebungen im ganzen Land

Ungebrochen lebendig, regional sehr verschieden, besonders an den neuen Militärstandorten in Ostdeutschland im Aufwind, nicht über einen Kamm zu scheren, thematisch vielfältig und längst nicht mehr der »Zählappell« der Friedensbewegung - die Ostermärsche. Mehrere Dutzend Demonstrationen, Kundgebungen und Fahrradtouren sind in diesem Jahr angekündigt, außerdem gibt es zahlreiche Mahnwachen, Gottesdienste und Diskussionsveranstaltungen. Der NATO-Krieg gegen Jugoslawien, Rußlands Krieg in Tschetschenien und die umstrittene Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung stehen dabei im Mittelpunkt der diesjährigen Aktionen.

In den Aufrufen erinnert die Friedensbewegung an den Bruch des Völkerrechts im Krieg gegen Jugoslawien, an die vielen materiellen und politischen »Kollateralschäden« und an das Versagen der NATO/KFOR bei der Förderung eines friedlichen Zusammenlebens der Völker im Kosovo. Gewarnt wird vor neuen Gewalttaten, insbesondere den bereits absehbaren kriegerischen Auseinandersetzungen in Südserbien und Montenegro, sowie den die ganze Region gefährdenden Plänen der ehemaligen UCK für ein Großalbanien. Rußland, so die Meinung vieler Friedensgruppen, folgt im Kaukasus dem schlechten NATO-Beispiel des Rechts des Stärkeren mit der »Renaissance einer menschenverachtenden Großmachtpolitik«, der die westlichen Staaten keine glaubwürdige Kritik entgegensetzen können. Auch das rot- grüne Geschäft mit dem Tod ist Thema der diesjährigen Ostermärsche. Die Versprechungen der Bundesregierung zu einer konsequenten Friedenspolitik haben sich in den Augen der Friedensbewegung schon jetzt als hohl erwiesen. Deutsche Außenpolitik ist Wirtschaftspolitik, das zeige sich gerade wieder bei den geplanten Rüstungsexporten in die Türkei oder in den Nahen Osten.

Entstanden ist die »Ostermarschbewegung« in England, wo sich unter der Regie des britischen Philosophen Bertrand Russel am Karfreitag 1958 erstmals rund 10 000 Menschen in London versammelten, um für nukleare Abrüstung zu demonstrieren. In der Bundesrepublik wurde der erste Ostermarsch in Norddeutschland 1960 organisiert. jW gibt nachfolgend einen Überblick der bislang bekannten Osteraktionen des Jahres 2000.

Reimar Paul