Hamburger Abendblatt, 29.4.2000

Spekulationen um Panzer-Deal mit der Türkei

Ankara zögert - warum?

Berlin - Die Türkei verschiebt einem Pressebericht zufolge die Entscheidung über den geplanten Kauf von 1000 Kampfpanzern. Die Zeitung "Turkish Daily News" berichtete, das 14-Milliarden-Mark-Projekt, um das sich auch die deutsche Rüstungsindustrie bemüht, soll um mindestens vier Monate verschoben werden. Möglicherweise falle die Entscheidung erst Anfang kommenden Jahres. Dem Zeitungsbericht zufolge soll Berlin selbst die Türkei wegen der umstrittenen Lieferung gebeten haben, die Entscheidung zu verschieben. In der Hauptstadt wird gemutmaßt, dass die Bitte um Verschiebung der türkischen Entscheidung aus dem Auswärtigen Amt kommen könne. Das klingt logisch: Außenminister Jochka Fischer (Grüne) kann nicht daran interessiert sein, dass sich die Türkei mit ihrem Beschluss, deutsche Panzer kaufen zu wollen, noch vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen meldet. Das könnte die Sympatisanten von Bündnis 90/Die Grünen womöglich abschrecken, "ihre" grüne Partei zu wählen.
Dafür, dass es eine solche Bitte tatsächlich gegeben hat, sprechen auch die jüngsten Aussagen dreier SPD-Politiker. Wiederholt hatten Verteidigungsminister Rudolf Scharping, Fraktionsvorsitzender Peter Struck und Generalsekretär Franz Müntefering betont, "zur Zeit" werde man die Panzer nicht in die Türkei liefern.
Andererseits betonte ein Sprecher des Rüstungskonzerns Krauss-Maffei-Wegmann, der den Kampfpanzer "Leopard" herstellt, in der Fachpresse sei schon mehrfach berichtet worden, dass die Türkei ihre Entscheidung über den Panzerkauf verschieben wolle. Ankara wolle überhaupt alle größeren Rüstungsvorhaben aufschieben.
Grund sei die Wirtschaftsmisere nach dem Erdbeben im vergangenen Jahr. Außerdem werde die Testphase eines bereits gelieferten Leopard-II-Panzers erst Ende Juli abgeschlossen. Danach folge die Auswertung. Aus Erfahrung mit Schweden, der Schweiz und Griechenland wisse man: Eine solche Auswertung dauere unter Umständen bis zu einem Jahr.
Gleichwohl geht man in Berlin davon aus, dass die Türkei sich für die deutschen Panzer entscheiden werde. "Nachdem Ankara 400 Leopard I von uns gekauft hat, will die Türkei jetzt eben auch die Leopard II haben", ist zu hören. (bre)