Rhein-Neckar-Zeitung 28.4.2000

In Iran alle liberalen Zeitungen verboten - Rückschlag für Chatami

Teheran (dpa) - In Iran sind seit Donnerstag alle liberalen Zeitungen verboten, nachdem die Justiz zwei weitere Blätter geschlossen hat. Das verlautete aus Medienkreisen. 13 Zeitungen und Zeitschriften, die den Reformkurs von Präsident Mohammed Chatami unterstützen, mussten bereits am vergangenen Wochenende ihr Erscheinen einstellen.

Am Donnerstag ordneten die Justizbehörden die Schließung der Tageszeitung «Mosharekat» an, die dem Präsidentenbruder Mohammed-Resa Chatami gehört. Verboten wurde auch das Blatt «Sobh'e Emruz» des Verlegers und prominenten Reformpolitikers Saaid Hajarian, der am 12. März in der Teheraner Innenstadt von Mitgliedern einer radikal- islamischen Gruppe niedergeschossen und schwer verletzt wurde.

Damit haben die Versuche Chatamis, das streng islamisch orientierten Regimes zu öffnen, einen Rückschlag erlitten. Chatami und der für die Medien zuständige Kulturminister Attaollah Mohajerani hatten für mehr Pressefreiheit gesorgt. Das scheidende, von konservativen Geistlichen dominierte Parlament hatte kürzlich jedoch die Pressegesetze verschärft.

Das Erscheinungsverbot von 13 der Zeitungen war mit dem Verstoß gegen Glaubengrundsätze des Islam begründet worden. Die beiden verbliebenen Zeitungen hatten ihre Auflage deutlich gesteigert und im Tagesverlauf mehrere Ausgaben herausgebracht. Dass Überschriften und Lay-Out in den zweiten und dritten Ausgaben nicht mit denen der ersten übereinstimmten, wurde als Verstoß gegen das Pressegesetz gewertet.

In einer Stellungnahme der Justiz am Donnerstag hieß es: «Wir werden uns im Zusammenhang mit dem entschiedenen Vorgehen gegen die Presse keinem politischen Druck beugen». Hätte der Kulturminister rechtzeitig etwa gegen die «vergiftete Atmosphäre» in einigen Medien unternommen, wären diese Schritte nicht notwendig gewesen.

Das westliche Ausland und verschiedene internationale Journalistenorganisationen haben die Schließung liberaler Zeitungen in Iran bereits kritisiert.