Frankfurter Rundschau 27.04.2000

DAS PORTRÄT

Von Edgar Auth (Frankfurt a. M.)

Gegen alle 17 Iraner, die an der Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung über "Iran nach den Parlamentswahlen" in Berlin teilgenommen hatten, wurde jetzt Haftbefehl in Iran erlassen. Festgenommen wurde der exponierteste von ihnen: Akbar Ganji.

Es mutet tragisch an: Akbar Ganji wurde bei der Konferenz von Exil-Oppositionellen am meisten wegen seiner Tätigkeit für das islamische Regime in dessen Anfängen angefeindet. Der für seine Enthüllungen über die Machenschaften des iranischen Geheimdienstes bekannte Journalist wurde nun offenbar im Zusammenhang mit der Konferenz und dem inner-iranischen Machtkampf zwischen Reformern und konservativem Klerus von demselben Regime festgenommen. Die Böll-Stiftung fordert seine Freilassung.

Ganji hat Soziologie studiert und engagierte sich früh für die islamische Revolution. Eine Zeit lang war er sogar Leibwächter des Revolutionsführers Ayatollah Ruhollah Khomeiny, schreibt die Grünen-nahe Böll-Stiftung. Offenbar wandte er sich von der herrschenden Mullah-Fraktion ab, als er erkannte, dass seine Ideale nicht verwirklicht wurden. "Leute wie ich haben versucht, Islam und Demokratie sowie Islam und Moderne zu versöhnen", sagt er. Dass das unter den herrschenden Bedingungen schwierig und gefahrvoll ist, muss ihm bewusst sein. Seit 1998 eine Welle von Morden an profilierten Intellektuellen die Bevölkerung Irans aufschreckte, engagierte er sich für Aufklärung und die Nennung der Drahtzieher. Die Forderung nach Aufklärung der Morde bildet noch heute eines der Hauptmotive der iranischen Demokratie-Bewegung. Die Regierung gab zu, dass die Täter aus dem Geheimdienstministerium kamen und nahm vier von ihnen fest. Einer soll auf mysteriöse Weise Selbstmord begangen haben. Der Verbleib der anderen ist derzeit ungewiss.

Ganji war Ende 1997 Herausgeber der Wochenzeitung Rahe-e-no (Neuer Weg). Dort wurde vor allem das Verhältnis von Staat und Religion diskutiert. Das Prinzip der unbedingten religiösen Führerschaft (Velayat e faqi) bildet noch heute die Grundlage des politischen Systems in Iran. Ganjis Zeitung wurde wegen ihrer kritischen Position dazu bald verboten. Seither arbeitet er als freier Journalist und ist bekannt dafür, dass er besonders die Machenschaften der "grauen Eminenzen" im Geheimdienst und Staatsapparat auszuleuchten versucht, die für Terror und politische Morde verantwortlich sind. Ganji bekennt sich als Reformer. "Keine Regierung schafft es mehr, den Pluralismus der Meinungen und Stimmen zu ersticken", sagt er. In Berlin trat er für rationale Debatten ein.

Doch seine Gegner aus der radikal-linken Szene ließen ihn kaum zu Wort kommen. Ganji reagierte gelassen, wirkte sogar ein wenig arrogant, als er warnte, dass diejenigen, die ihn niederschrieen, damit den Gegnern der Reformer Handhabe lieferten, diese als gewaltbereite Chaoten abzuqualifizieren. Ganji kenne sich doch aus seiner Zeit als Revolutionsgardist im iranischen Kurdistan "mit Panzerfäusten aus", wurde ihm in Berlin entgegengeschleudert. Die oppositionellen Volksmudschaheddin warfen ihm in der Presse vor, nach 1985 Mitglied der Revolutionsgarde gewesen zu sein und "getarnt als Kulturattachee" von der Botschaft Irans in der Türkei aus Spionage und Terror gegen Oppositionelle organisiert zu haben. Ganji bestritt dies in Berlin und sagte, er habe in der Türkei Kurse abgehalten.

Auch Hodschatolleslam Yousevi Eshkevari, der in Berlin auf dem Podium saß, wird mit Haftbefehl von den iranischen Behörden verfolgt. Er soll sich im Ausland aufhalten. Kein Wunder: Eshkevari sprach sich deutlich für die Trennung von Religion und Staat aus. Religion sei Privatsache, sagte er. Dennoch wollten auch ihm die Demonstranten nicht zuhören: "Geh Mullah, geh", riefen sie ihm zu.

Die meisten der übrigen 17 Teilnehmer, aus Iran, die alle dem Reformer-Lager um Präsident Mohammed Khatami zuzurechnen sind, halten sich noch im Ausland auf. Gegen alle wurde Haftbefehl erlassen, wie die Stiftung am Mittwoch erfuhr. Zwei erhielten Hausbesuche der Behörden, wobei nicht klar war, ob nur Haftbefehle zugestellt oder auch Durchsuchungen durchgeführt wurden.