DER STANDARD, 27.April 2000

Fremdengesetz wird repariert

Verfassungsgerichtshof prüft Familienzusammenführung und Aufenthaltsrecht

STANDARD-Mitarbeiter Robert Schlesinger

Wien - Zwei Bestimmungen des Fremdengesetzes dürfte kein langes Leben mehr beschieden sein: Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat gegen die beiden fraglichen Textstellen ein Gesetzesprüfungsverfahren eröffnet. Die endgültige Entscheidung fällt nach einer Stellungnahme der Bundesregierung, die jedoch erfahrungsgemäß den Standpunkt des VfGH nicht mehr zu ändern vermag.

Erster Stein des Anstoßes: Das Aufenthaltsrecht eines in Österreich geborenen ausländischen Kindes hängt allein von der Mutter ab, nicht aber vom Vater. Kübra Kerime Aslan zum Beispiel ist ein mittlerweile eineinhalbjähriges Mädchen, das in Wien zur Welt kam. Die Eltern sind türkische Staatsbürger: Der Va- ter hat in Österreich bereits ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, die Mutter war zum Zeitpunkt von Kübras Geburt illegal hier. Sie war in anderen Umständen als Touristin eingereist - und nach Ablauf des Visums hier geblieben, weil in der Schwangerschaft Komplikationen aufgetreten waren, mit denen sie sich nicht dem türkischen Gesundheitswesen anvertrauen wollte. Erst nach der Geburt fuhr sie heim; Kübra blieb, so hatten sich die Eheleute geeinigt, beim Vater in Wien.

Davon freilich wollte das Fremdengesetz nichts wissen: Neugeborene erhalten automatisch den Rechtsstatus der Mutter. Die kleine Kübra war also - und ist es bis heute - "illegal aufhältig".

Gleichheitsgrundsatz

Solche Fälle gab es öfter, der VfGH wurde mehrfach angerufen. Mit Erfolg, denn nun schließt er sich den Beschwerden (von Anwälten wie Alois Leyrer oder Roland Resch) an und hält es für einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, wie das Fremdengesetz zwischen Vater und Mutter unterscheidet.

Ebenfalls als gleichheits-und damit verfassungswidrig stuft der VfGH ein, dass die Familienzusammenführung für Ausländer nur bis zum 14. Geburtstag möglich ist. In unzähligen Fällen, in denen der Antrag vor dieser Altersgrenze gestellt wurde, dauerte das Verfahren so lange, dass die Kinder bis zur Entscheidung der Behörden schon über 14 Jahre alt waren - und keine Niederlassungsbewilligung mehr erhalten konnten!

Besonders krass wurde einer türkischen Familie mitgespielt: 1996 wollten die Mutter und die vier Kinder zum Vater, der in Wien lebt, nachziehen. Das älteste Kind war damals zwölf. Die Anträge wurden abgewiesen, weil der Wiener Magistrat Unterkunft und Unterhalt nicht als ausreichend ansah. Zu Unrecht, wie sich in zweiter Instanz herausstellte - allerdings erst 1999, und da waren zwei der Kinder bereits älter als vierzehn: Sie erhielten, anders als die Mutter und die kleineren Geschwister, keine Visa. Wilfried Embacher, der Rechtsanwalt der Familie, hat den Eindruck, der Gesetzgeber habe die verfassungswidrige Bestimmung geradezu bewusst in Kauf genommen, "wenn nur durch die lange Verfahrensdauer die Altersgrenze überschritten wird und eine positive Erledigung nicht mehr möglich ist".

Doppelte Verletzung

Embacher brachte mehrere solcher Akten vor den VfGH, der nun den Gleichheitsgrundsatz sogar doppelt verletzt sieht: erstens durch die Unterscheidung zwischen unter und über 14-Jährigen, zweitens deshalb, weil die ganze Regelung nur für Kinder von Ausländern gilt, die vor 1998 nach Österreich gekommen sind. Wer später eingewandert ist, kann nämlich bereits jetzt auch 14- bis 19-jährige Kinder nachholen.

Eine Reparatur des Frem- dengesetzes steht also in den nächsten Monaten an, sobald der VfGH die beiden inkriminierten Gesetzesstellen endgültig aufgehoben hat.