junge welt 27.04.00

Wieso ist die Green-Card-Debatte rassistisch?

jW fragte Heiko Kauffmann, Bundessprecher der Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL

F: Sie haben die andauernde Green-Card-Debatte als oberflächlich kritisiert. Welche Aspekte bleiben in der Diskussion Ihrer Meinung nach außen vor?

Das schwierigste ist, daß zum Beispiel Asyl und Einwanderung in einen Topf geworfen werden. Die gegenwärtige Debatte wird von einer grundsätzlich negativen Haltung gegenüber Einwanderern und Flüchtlingen dominiert. Auch die»Positiv-Debatte« über eine Green Card, das heißt über eine vorsichtige Öffnung der deutschen Einwanderungssperren, wird nur unter dem Blickwinkel des sogenannten Zuwanderungsbegrenzungsgesetzes erörtert. Die Diskussion läßt immer noch die spezifische Methode erkennen, andere durch eine »besondere Art der Einbeziehung« dann doch auszugrenzen. Die deutsche Gesellschaft produziert ihre »Anderen« durch Ausschluß, d.h. auch durch besonders restriktive ausländerrechtliche Bestimmungen und jahrzehntelange Vernachlässigung integrativer Gestaltungsaufgaben. Das wiederum ist der Bodensatz für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Ich mache das besonders an den Äußerungen von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt fest ...

F: ... der mit dem Vorwurf der Wirtschaftsflüchtlinge besonders negativ in diese Diskussion eingegriffen hat.

Genau. Er hat das wiederholt, was Otto Schily aus der Anerkennungszahl von fünf Prozent geschlossen hat. Der Schluß ist, daß alle anderen 95 Prozent Wirtschaftsflüchtlinge seien. Schily hat das im Herbst mit dem Wort »asylunwürdig« beschrieben. Es wird dabei auch außer acht gelassen, daß die Anerkennungszahlen insgesamt deshalb so niedrig sind, weil etwa die Genfer Flüchtlingskonvention nirgendwo so restriktiv gehandhabt wird wie in Deutschland. Aber vor allen Dingen kritisieren wir daran diesen Kosten-Nutzen-Aspekt. Wer Menschen ausschließlich unter diesem Aspekt sieht und dann die Themen Zuwanderung und Asyl undifferenziert in einen Topf wirft, der instrumentalisiert auch die ausländischen Arbeitskräfte nur aus ökonomischem Kalkül. Und das wäre unseres Erachtens der Abschied aus dem Gesellschaftsmodell des sozialen Rechtsstaates. Diese Aussagen stehen quer zu allen wissenschaftlichen Erkenntnissen und etwa zu den Empfehlungen des Rates für Migration - immerhin ein Ausschuß von deutschen Professoren. Ich habe den Eindruck, Herr Hundt will damit unter Beweis stellen, daß ihm der ideologische Schulterschluß mit der CSU und Hardlinern wichtiger ist als ein seriöser und verantwortungsvoller Umgang mit dem Thema Migration und Arbeitsmarkt.

F: Inwieweit grenzt sich denn die SPD von diesen Negativ- Äußerungen ab?

Wir haben es begrüßt, daß der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, die Forderung der CDU zurückgewiesen hat, das Grundrecht auf Asyl aus der Verfassung herauszunehmen. Die SPD hat eigentlich sehr deutlich gesagt, daß sie die Themen Asyl und Einwanderung nicht in einen Topf wirft. Das heißt, da wird es auch keine Quotierung von Einwandern und keine Herausnahme aus dem Grundgesetz geben. Aber die SPD geht sehr zaghaft an die aktuellen Herausforderungen heran.

Interview: Harald Neuber