web.de, 25.04.2000 15:18

Zuwanderung als Exerzierfeld der kleinen Parteien

Union und SPD halten sich mit Reformplänen zurück

Von AP-Korrespondent Frieder Reimold

Berlin (AP)

Im Streit um ein Einwanderungsgesetz ergreifen die kleinen Parteien zunehmend die Initiative, während Union und SPD eher defensiv reagieren. Die FDP mit Generalsekretär Guido Westerwelle an der Spitze beansprucht mit dem Thema zunehmend öffentliche Aufmerksamkeit. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Cem Özdemir, steht dem kaum nach. Dabei war der Wirbel ursprünglich von Bundeskanzler Gerhard Schröder mit seiner Idee einer Green-Card für ausländische Computer-Experten ausgelöst worden.

Von Anfang an war der Streit überlagert von einer Kontroverse um Begriffe: «Zuwanderungsbegrenzungsgesetz» und «Einwanderungsgesetz» machten plötzlich die Runde. Sie sollten offenbar auf unterschiedliche politische Stoßrichtungen hinweisen.

Vor Ostern beklagte sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dass die Bundesregierung bisher mit ihrer Auffassung nach widersprüchlichen Aussagen zur Green Card schon viele Diskussionen ausgelöst habe. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach forderte die Regierung daher auf, «sofort und unzweideutig» zu erklären, ob sie nun beabsichtige, ein Einwanderungsgesetz vorzulegen. Äußerungen von SPD-Seite ließen auf entsprechende Vorbereitungen schließen.

Das hatte allerdings die parlamentarische Staatssekretärin Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD) wenige Tage zuvor im Parlament ausgeschlossen. Die rechte Hand von Innenminister Otto Schily im Bundestag sagte am 13. April im Plenum, mit einem Einwanderungsgesetz habe die Green Card nichts zu tun. Bei der Green Card gehe es um die «Deckung eines akuten Bedarfs in einem begrenzten Umfang». Ein Einwanderungsgesetz hingegen brauche Zeit, sorgfältige Argumentation und Abstimmung mit den europäischen Partnern: «Kurz gesagt: Dieses wäre eine langfristige - ich betone: langfristige - Perspektive,» fügte sie an.

Westerwelle kündigte nun einen überarbeiteten Entwurf für ein Einwanderungsbegrenzungsgesetz an. In deutschem Interesse müssten einerseits die «klügsten Köpfe» ins Land geholt werden, damit durch sie neue Arbeitsplätze entstehen könnten. Andererseits stehe fest: «Wir lassen zu viel von denen herein, die wir nicht so gut gebrauchen können,» sagte er in der Mainzer «Allgemeinen Zeitung» (Mittwochausgabe).

Eppelmann warnt

Özdemir, bot der Union unterdessen in der «Rheinischen Post» (Dienstagausgabe) Gespräche über ein Einwanderungsgesetz an. Er schloss dabei aus, dass das individuelle Recht auf Asyl zur Disposition stehen könnte: «Über alles kann man reden, aber an die Grundlage des Asylrechts gehen wir nicht ran.» Weiter hieß es bei den Grünen, dass sie ihren Koalitionspartner SPD zu klaren Festlegungen bei Bleiberecht und Familiennachzug bewegen wollten.

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Jürgen Rüttgers plädierte Ostern für ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber forderte eine Anpassung der Asylgesetzgebung an die Praxis in England und Frankreich, wo es das Grundrecht auf Asyl nach deutschem Vorbild nicht gibt. Im Unionslager betonte lediglich der CDU-Sozialpolitiker Rainer Eppelmann, Asyl und Zuwanderung seien unterschiedliche Dinge, sie hätten verschiedene Ursachen. Seine eigene Partei habe sich bislang «um die Wirklichkeit gedrückt». Deutschland habe schon seit langem eine Zuwanderung, die mit jener klassischer Einwanderungsländer vergleichbar sei, sagte der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA).