junge Welt 26.4.2000

Proteste gegen Mullah-Tricks

Studenten im Iran demonstrieren gegen Zeitungsverbote.

Erinnerung an US-Desaster 1980

Aus Protest gegen das Verbot reformorientierter iranischer Medien haben Hunderte Teheraner Studenten am Dienstag ihre Vorlesungen boykottiert. Vor der Technischen Universität Khajeh Naseer versammelten sich über 300 Studenten zu einer Protestkundgebung. Sie riefen den reformorientierten Präsidenten Mohammed Khatami dazu auf, trotz des Drucks der konservativen Kräfte an seinem Kurs festzuhalten. »Diese politischen Zwerge sollten verstehen, daß trotz ihrer schmutzigen Tricks die große Nation Iran ihren Pfad der Reformen weiterverfolgen wird«, sagte ein Redner. Die konservative Justiz hatte am Sonntag und Montag zehn liberale Tageszeitungen und vier Zeitschriften mit der Begründung verboten, in Artikeln gegen die Prinzipien des Islams verstoßen zu haben. Bereits in der Nacht zu Dienstag protestierten rund tausend Studenten für Meinungsfreiheit und gegen das Zeitungsverbot. »Freiheit, Freiheit, du bist ewig«, skandierten die Studenten auf dem Universitätscampus der Stadt und forderten die Sicherheitskräfte auf, sie ins Zentrum zu lassen, um dort weiterzudemonstrieren. An der Universität Chadscheh Nassie Tussi im Norden Teherans wurde der Unterricht am Dienstag für weitere Protestaktionen abgesagt.

Unterdessen hob die iranische Justiz das Verbot der wichtigsten Reformzeitung Sobh-e Emros auf. Begründet wurde dies damit, daß der Herausgeber der Zeitung nach einem Attentat am 12. März im Krankenhaus liege. Der Prozeß gegen die Attentäter begann am Dienstag. Am selben Tag hat ein iranisches Religionsgericht Haftbefehl gegen einen reformorientierten Geistlichen erlassen, der an einer Konferenz der Grünen-nahen Heinrich- Böll-Stiftung in Berlin teilgenommen hatte. Hassan Jussefi Echkewari befinde sich jedoch noch im Ausland auf freiem Fuß, meldete die amtliche iranische Agentur IRNA weiter.

Bereits am Montag erinnerten unterdessen Medienberichten zufolge etwa 5 000 Demonstranten an den 20. Jahrestag der mißlungenen Aktion der US-Amerikaner zur Befreiung der Teheraner Botschaftsgeiseln. »Tod den USA« riefen die Demonstranten in der Tabas-Wüste, wo acht US- Soldaten ums Leben kamen, wie die Zeitung Kajhan berichtete. Die Kundgebung sei »ein Gedenken an Gottes Hilfe bei der Zerstörung der amerikanischen Truppen«, hieß es im staatlichen Rundfunk.

Am 25. April 1980 war der Versuch der USA gescheitert, die Geiseln aus der mehrere Monate zuvor besetzten Botschaft in Teheran zu befreien. Wegen technischer Ausfälle wurde das Unternehmen vorzeitig abgebrochen. Bei einem Zusammenstoß eines Hubschraubers mit einem Transportflugzeug starben bei der Aktion jedoch noch acht US-Soldaten in der iranischen Wüste. Der Befreiungsversuch sei »eine der freimütigsten Verschwörungen der USA gegen Iran« gewesen, zitierte die Zeitung Dschomhuri Eslami am Montag eine Stellungnahme der iranischen Militärführung. Die etwa 50 Geiseln wurden nach 444 Tagen im Januar 1981 freigelassen.

(AFP/AP/jW)