SPIEGEL 17/2000

Asylstopp statt Green Card

Auf die Green-Card-Initiative von Bundeskanzler Gerhard Schröder haben Arbeitgeber und CSU nun mit der Forderung nach einer klaren Einschränkung des Asylanspruchs reagiert. Zugleich pochen sie wie die FDP weiter auf eine gesetzliche Begrenzung der Zuwanderung.

Berlin - CSU-Chef Edmund Stoiber und Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt beklagten, 95 Prozent der Asylsuchenden seien Wirtschaftsflüchtlinge. Dabei setzten sie umgekehrt auf Ausländer, von denen der deutsche Arbeitsmarkt und das Rentensystem profitieren könnten. CDU-Vize Jürgen Rüttgers verlangte weiterhin von Schröder, die Green-Card- Initiative zurückzunehmen, weil die Resonanz "lächerlich" gering sei.

Bayern wird in den nächsten Wochen Eckpunkte für ein Zuwanderungs- Begrenzungsgesetz vorlegen, kündigte Ministerpräsident Stoiber in einem dpa-Gespräch an. Bei der hohen Zuwanderung nach Deutschland könne nicht durch die Green Card "draufgesattelt" werden, meinte er.

Auch die FDP will die zeitweilige Beschäftigung ausländischer Computer-Spitzenkräfte in Deutschland mit klaren Regeln zur Begrenzung der Zuwanderung verbinden. Sie werde "einen überarbeiteten Entwurf für ein Einwanderungsbegrenzungsgesetz" in den Bundestag einbringen, sagte FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle.

Hundt sagte, Deutschland stehe unter großem Aufnahmedruck durch Asylbewerber, Bürgerkriegsflüchtlinge und illegale Einwanderer. Diese ungeregelte Zuwanderung belaste die Sozialsysteme und die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft. Die deutsche Bevölkerung werde in wenigen Jahrzehnten dramatisch altern. Deshalb müsse der Zugang von Ausländern zum Arbeitsmarkt erleichtert werden.

Andere Länder forderten schon lange Qualifikationen und Sicherheiten, um ihre Einwanderung zu kontrollieren, sagte der CDA- Vorsitzende und CDU-Bundestagsabgeordnete Rainer Eppelmann. "Es müssen Gesundheits- und Sprachtests gemacht werden und die Menschen müssen nachweisen, dass sie für ihren Unterhalt sorgen können", meinte er.

Hundt schlug vor, den im Grundgesetz verankerten individuellen Asylanspruch durch eine staatliche Garantie auf Asyl im Grundgesetz zu ersetzen, die dann durch ein Bundesgesetz ausgestaltet wird. So könne man Missbrauch des politischen Asyls leichter entgegenwirken. Auch Stoiber sagte, eine Änderung des Asylrechts sei nötig.

Er verwies auf den Asylkompromiss vom Dezember 1992. Damals habe man sich fraktionsübergreifend auf die Formulierung verständigt: "Wie jeder andere Staat muss auch Deutschland die Zuwanderung steuern und begrenzen können." Schröder habe diesen Satz damals als Ministerpräsident Niedersachsens mit unterschrieben. "Dieser unerledigte Auftrag muss jetzt eingelöst werden."

Zur Green Card sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Dieter Philipp, der "Welt": "Ich halte diese Green Cards für einen Schnellschuss, der nichts am Facharbeitermangel in der IT-Branche ändern wird." Dabei will Arbeitsminister Walter Riester (SPD) bei der Green Card für ausländische Spezialisten der Informationstechnologie Wünschen der Wirtschaft entgegenkommen.

Die Aufenthaltsgenehmigung für die Computerfachleute soll jetzt für fünf Jahre erteilt werden. Die neue Vorlage soll den Ländern und Wirtschaftsverbänden als Grundlage für eine nach der Osterpause geplante Anhörung zugeleitet werden.

Bisher war in dem Entwurf der Verordnung eine Aufenthaltsfrist von nur drei Jahren mit der Option einer zweijährigen Verlängerung vorgesehen. Den Computer-Spitzenkräften soll jetzt auch ein Wechsel des Arbeitgebers erlaubt werden. Außerdem soll ein Hochschulabschluss nicht länger eine zwingende Voraussetzung für die Erteilung der Arbeitserlaubnis sein.

Die letzten vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Bevölkerungsdaten weisen einen Rückgang der Gesamtbevölkerungszahl um rund 20.000 Menschen für das Jahr 1998 aus. Die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer ("Gastarbeiter") sank von 1997 auf 1998 um 33.000, 606.000 Ausländer zogen zu, 639.000 verließen das Land. Mortalität, Einbürgerung und die Ausweisung von Asylbewerbern führten dazu, dass 1998 insgesamt 46.000 Ausländer weniger in Deutschland lebten als im Vorjahr.

Der zugleich ausgewiesene Nettozuwachs von 47.098 bei den Zuwanderungen geht auf die Einwanderung von Menschen deutscher Herkunft nach Deutschland zurück: gemeint sind hier vor allem Spätaus- und Übersiedler.