web.de, 23.04.2000 20:30

Neuer Schlag gegen liberale Presse in Iran

Zwei regimekritische Zeitungen und eine Zeitschrift geschlossen - Wieder Journalisten inhaftiert

Teheran (AP)

Die konservative iranische Justiz hat offenbar zu einem neuen Schlag gegen liberale und linke Presseorgane ausgeholt. Am Sonntag wurden zwei reformorientierte Tageszeitungen und ein linkes Wochenmagazin geschlossen. Zuvor wurden zwei regimekritische Journalisten, der geschäftsführende Herausgeber der bereits verbotenen Zeitung «Neschat», Latif Safari, und der Reporter Akbar Gandschi, verhaftet und in das berüchtigte Teheraner Evin-Gefängnis gebracht.

Der für die Presse zuständige Gerichtshof in Teheran sprach am Sonntag das Erscheiungsverbot für die Tageszeitungen «Fath» und «Asr-e-Asadegan» sowie gegen die linke Wochenzeitschrift «Iran-e-Farda» aus. Das teilten Mitarbeiter der betroffenen Publikationen mit. Die Herausgeber der betroffenen Zeitungen trafen sich am Sonntag, um über ein gemeinsames Vorgehen zu beraten. Es galt aber als unwahrscheinlich, dass sie gegen den Gerichtsbeschluss Rechtsmittel einlegen würden.

Der am Samstag inhaftierte Reporter Gandschi hatte zum Tod von fünf Dissidenten recherchiert. Safari wurde am Sonntag in Haft genommen. Nach Angaben seines Sohnes Amir-Hossein wurde ihm Beleidigung des Islams vorgeworfen. Safari war im September vergangenen Jahres wegen seiner Artikel über die Studentenunruhen im Juli in Teheran zu zwei Jahren Haft verurteilt worden; am Mittwoch wurde Haftbefehl gegen ihn erlassen.

Bereits am Donnerstag hatte das geistliche Oberhaupt Irans, Ayatollah Ali Chamenei, gewarnt, es gebe im Land zehn bis 15 reformorientierte Blätter, die die Grundlagen des Islams und der Revolution untergrüben und als Stützpunkte des Feindes dienten». Chamenei besitzt nach dem iranischen System mehr Macht als der gewählte Staatspräsident Mohammed Chatami, der zu den gemäßigten Kräften gerechnet wird. Der Justizapparat befindet sich weitgehend in der Hand der konservativen Geistlichkeit.