Badische Zeitung 22.4.2000

Attacke der Fundamentalisten

Machtkampf im Iran spitzt sich weiter zu

LIMASSOL. Im Iran hat eine von Hass gekennzeichnete Kampagne der fundamentalistischen Hardliner gegen die Reformpolitik von Staatspräsident Mohammed Khatami begonnen. Diese richtet sich vor allem an die liberalen Medien, die von dem iranischen Revolutionsführer Khamenei am Donnerstag in scharfer Form kritisiert wurden.

Der Geistliche beschuldigte die von der Mehrheit der Bevölkerung gelesene Reformpresse, "Basen für den amerikanischen und zionistischen Feind zu schaffen". Khameneis Rede vor der großen Moschee von Teheran wurde vom überwiegend konservativen Publikum begeistert aufgenommen. Die Menge forderte in Sprechchören nicht nur den "Tod der USA", sondern erstmals auch die Ermordung von "journalistischen Söldnerschmierfinken", womit die Reporter der Reformpresse gemeint waren.

Ihrer couragierten und aufgeklärten Berichterstattung haben Staatspräsident Khatami seine Wahl zum Präsidenten und die iranischen Reformer ihren Erdrutschsieg bei den Parlamentswahlen im Februar mit zu verdanken. Es gibt kaum ein Thema, welches die Reformpresse nicht aufgreift. Auch bei der Untersuchung des Mordanschlags auf den prominenten iranischen Reformer Hajarian spielt die Presse eine wichtige Rolle.

Nachdem einige Teheraner Zeitungen eine Verwicklung der Revolutionsgardisten in das Attentat andeuteten und dafür auch die Fakten präsentierten, holten die Hardliner zum Gegenschlag aus: Das von der konservativen Geistlichkeit beherrschte Teheraner Fernsehen strahlte zur besten Sendezeit eine von der iranischen Exil-Opposition inszenierte Protestaktion auf einer Iran-Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin aus. Eine Aktivistin der iranischen KP tanzte dort nur mit Kopftuch und Unterwäsche bekleidet durch den Saal und forderte lautstark der "Tod der islamischen Republik". Anschließend flimmerten die Portraits jener iranischen Reformer, unter ihnen auch bekannte Journalisten, über die Mattscheibe, die an der Konferenz zwar teilgenommen, gegen den inszenierten Protest der Exilopposition aber protestiert hatten.

Die Revolutionsgardisten riefen derweil zu Massendemonstrationen auf, auf denen die Teilnehmer "Hass und Abscheu" gegen die Konferenz demonstrieren sollten. Nur 8000 Menschen waren am Freitag diesem Appell gefolgt. Die Mehrheit der Bevölkerung beobachtet die Hasskampgane der Rechten mit Entsetzen und Angst.

Michael Wrase