Kölnische Rundschau 20.4.2000

UN denken über Konsequenzen aus Fehlentwicklung im Irak nach

Sanktionen sollen besser treffen

Von Gisela Ostwald

New York. (dpa) Angesichts der wachsenden Kritik an Handels- und Waffenembargos er Vereinten Nationen, die ihr Ziel verfehlen, hat der Weltsicherheitsrat seine Sanktionspolitik revidiert. Bei einer offenen Debatte kam das Gremium jetzt überein, Strafmaßnahmen künftig effektiver einzusetzen und strikter anzuwenden.

Vor allem sollen sie nicht, wie besonders im Irak, die Falschen treffen, nämlich eine unschuldige Bevölkerung. Praktische Vorschläge zur Verbesserung seiner bisherigen Politik erhofft sich der Rat von einer nun eingesetzten Arbeitsgruppe.

An Schelte für die fehlgeschlagenen Sanktionen hatte es in den vergangenen Monaten nicht gemangelt. Der deutsche UN-Koordinator in Bagdad, Hans von Sponeck, hängte aus Protest seinen Job an den Nagel. Das Kinderhilfswerk Unicef lastete dem Sicherheitsrat an, das Leben der Kleinkinder im Irak aufs Spiel zu setzen. Zuletzt rief auch UN-Generalsekretär Kofi Annan dazu auf, die "ernsten Zweifel" an der Effizienz von Sanktionen durch gezieltere Maßnahmen auszuräumen.

Grundlage für Annans Kritik ist ein unabhängiger Bericht der Internationalen Friedensakademie (IPA), der dem höchsten UN-Gremium nur recht mäßige Erfolge mit diesem Instrumentarium bescheinigt. Mit ihren Embargos gegen zwölf Länder der Welt hätten die Vereinten Nationen die 90er Jahre zum "Jahrzehnt der Sanktionen" gemacht, so der Titel der IPA-Studie. In den 45 Jahren davor waren lediglich zwei Nationen, das frühere Rhodesien (heute Simbabwe) und Südafrika, mit Sanktionen zur Ordnung gerufen worden.

Embargos bisher wenig wirkungsvoll

Ihnen folgten 1990 die noch heute geltenden Wirtschaftssanktionen gegen den Irak. Eine Reihe von Embargos, die vom Abbruch diplomatischer Beziehungen über die Waffeneinfuhr bis zum internationalen Flugverbot reichten, verhängte der Rat gegen Jugoslawien, Libyen, Liberia, Somalia, Kambodscha, Haiti, Angola, Ruanda, den Sudan, Sierra Leone und Afghanistan.

Im Fall Libyens erzielten die 1992 nach dem Attentat von Lockerbie verhängten Handelsbeschränkungen der UN nur "mäßige wirtschaftliche Wirkung". Das Verbot des libyschen Flugverkehrs aber erwies sich als "überraschend effektiv", stellt die IPA-Untersuchung fest.

Der stellvertretende UN-Botschafter der USA, James Cunningham, zieht daraus den Schluss, dass Sanktionen der Vereinten Nationen noch mehr als bisher "maßgeschneidert" werden müssen. "Die Erfahrung zeigt, dass nicht eine einzige Maßnahme für alle Situationen passt", sagte Cunningham in einer Debatte des Sicherheitsrates in New York.

"Zu oft haben Sanktionen unter zu schnellem und einseitigem Entwurf, mangelnder Bereitschaft zu ihrer Einführung, fehlender Überwachung und ungenügender Durchsetzung gelitten", räumte auch Kanadas Außenminister Lloyd Axworthy ein. Einen Ausweg sieht Kanada, das auch den Bericht der Friedensakademie initiiert hatte, vor allem in einer Verknüpfung von Strafen und abschreckenden Maßnahmen mit Anreizen für eine Kooperation, eine Mischung aus "Zuckerbrot und Peitsche".