Frankfurter Neue Presse,19.04.2000

Zuckerbrot und Peitsche für gewalttätige Staaten

Von Gisela Ostwald

New York. Angesichts der wachsenden Kritik an Handels- und Waffenembargos der Uno, die ihr Ziel verfehlen, hat der Weltsicherheitsrat seine Politik von Sanktionen revidiert. Bei einer offenen Debatte kam das Gremium überein, Strafmaßnahmen künftig effektiver einzusetzen und strikter anzuwenden.

Vor allem sollen sie nicht, wie besonders im Irak, die Falschen treffen, nämlich eine unschuldige Bevölkerung. Praktische Vorschläge zur Verbesserung seiner bisherigen Politik erhofft sich der Rat von einer Arbeitsgruppe, die er nach stundenlanger Erörterung noch in den späten Abendstunden am Montag beschloss.

An Schelte für die fehlgeschlagenen Sanktionen hatte es in den vergangenen Wochen und Monaten nicht gemangelt. Der deutsche Uno-Koordinator in Bagdad, Hans von Sponeck, hängte aus Protest seinen Job an den Nagel. Das Kinderhilfswerk Unicef lastete dem Sicherheitsrat an, das Leben der Kleinkinder im Irak aufs Spiel zu setzen. Zuletzt rief auch Uno-Generalsekretär Kofi Annan dazu auf, die "ernsten Zweifel" an der Effizienz von Sanktionen durch gezieltere Maßnahmen auszuräumen.

Grundlage für Annans Kritik ist ein unabhängiger Bericht der Internationalen Friedensakademie (IPA), der dem höchsten Uno-Gremium nur recht mäßige Erfolge mit diesem Instrumentarium bescheinigt. Mit ihren Embargos gegen zwölf Länder der Welt hätten die Vereinten Nationen die 90er Jahre zum "Jahrzehnt der Sanktionen" gemacht, so der Titel der IPA-Studie. In den 45 Jahren davor waren lediglich zwei Nationen - das frühere Rhodesien (heute Simbabwe) und Südafrika - mit Sanktionen zur Ordnung gerufen worden.

Ihnen folgte 1990 das noch heute geltende Wirtschafts-Embargo gegen den Irak. Eine Reihe von Sanktionen, die vom Abbruch diplomatischer Beziehungen über ein Verbot von Waffenlieferungen bis zum internationalen Flugverbot reichten, verhängte der Rat gegen Jugoslawien, Libyen, Liberia, Somalia, Kambodscha, Haiti, Angola, Ruanda, den Sudan, Sierra Leone und Afghanistan.

Im Fall Libyens erzielten die 1992 nach dem Attentat von Lockerbie verhängten Handelsbeschränkungen der Uno nur "mäßige wirtschaftliche Wirkung". Das Verbot des libyschen Flugverkehrs aber erwies sich als "überraschend effektiv", stellt die IPA-Untersuchung fest.

Der stellvertretende Uno-Botschafter der USA, James Cunningham, zieht daraus den Schluss, dass Uno-Sanktionen noch mehr als bisher "maßgeschneidert" werden müssen. "Die Erfahrung zeigt, dass nicht eine einzige Maßnahme für alle Situationen passt", sagte er in der Debatte.

Nach Worten von Kanadas Außenminister Lloyd Axworthy, der die Aussprache als derzeitiger Präsident des Sicherheitsrates leitete, haben sich Sanktionen in den letzten Jahren trotzdem zunehmend als brauchbare Alternative zum militärischen Eingreifen erwiesen. Voraussetzung für ihren Erfolg waren jedoch ein klarer politischer Wille der Weltorganisation und die Mittel, sie auch wirklich durchzusetzen.

"Zu oft haben Sanktionen allerdings auch unter zu schnellem und einseitigem Entwurf, mangelnder Bereitschaft zu ihrer Einführung, fehlender Überwachung und ungenügender Durchsetzung gelitten", räumte auch Axworthy ein. Einen Ausweg sieht der kanadische Minister - sein Land hatte den Bericht der Friedensakademie initiiert - vor allem in einer Verknüpfung von Strafen und abschreckenden Maßnahmen mit Anreizen für eine Kooperation, in einer Mischung aus "Zuckerbrot und Peitsche".