Stuttgarter Zeitung 18.4.2000

¸¸Greencard'' für Illegale?

Asylpfarrer fordert Lösung

Mit Nachdruck hat der Stuttgarter Arbeitskreis Asyl zu offenen Gesprächen zwischen Polizei, Wohlfahrtsverbänden und Arbeitsämtern aufgefordert. Ziel dabei: illegal in Deutschland lebenden Menschen in bestimmten Fällen das Bleiben zu ermöglichen.

Von Claudia Scheirle

Für die Asylbewerber, die in ihren Heimatländern meist aus politischen Gründen verfolgt würden, müssten sinnvolle Ausnahmeregelungen gefunden werden. ¸¸Wir müssen in einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs treten und die jeweiligen Fälle vor einer Abschiebung genau prüfen'', sagte Asylpfarrer Werner Baumgarten gestern. Den Asylsuchenden müsse die Gelegenheit geboten werden, in Deutschland mit Hilfe einer speziell erarbeiteten ¸¸Greencard'' selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Viele der so genannten Illegalen seien hoch qualifizierte Arbeitskräfte, die in der deutschen Wirtschaft dringend gebraucht würden.

Von den Gesprächen am runden Tisch erhoffen sich Baumgarten und Altstadtrat Gerhard Dürr einen Konsens zwischen Behörden und Asylanten. Sie berufen sich dabei auf Paragraf1 des Grundgesetzes, nach dem die Würde des Menschen unantastbar ist. ¸¸Das muss auch für die Illegalen gelten'', forderte Dürr. Konkret bedeute dies, dass neben einer Gesundheitsfürsorge auch angstfreie Beratungsgespräche bei Behörden gesichert werden sollten. Außerdem solle Kindern die Möglichkeit des Kindergarten- und Schulbesuchs offen gehalten werden. Mit Abschiebungen und Tabuisierungen werde man der Thematik nicht gerecht, so Dürr weiter.

Neben Baumgarten und Dürr nahm eine kurdische Familie, die illegal in Deutschland lebt, an dem Gespräch teil. Alle vier Kinder des Ehepaares leben seit rund vier Jahren in Deutschland, sprechen fließend Deutsch und besuchen deutsche Schulen in Heidelberg. ¸¸Ich habe hier so viele Freunde gefunden, ich möchte nicht mehr in die Türkei'', sagte die 18-jährige Arzu. ¸¸Außerdem hatten wir in der Türkei nicht so gute Lehrer wie hier'', ergänzte ihre 17-jährige Schwester Sevin.

In Stuttgart leben derzeit schätzungsweise rund 10000 illegale Einwanderer, überwiegend Bürgerkriegsflüchtlinge.