Frankfurter Rundschau 15.04.2000

Pro Asyl und AI gehen Schily hart an

"Flucht nicht mit Einwanderung verrechnen" / Artikel 16 stört EU-Angleichung nicht

Von Ursula Rüssmann

Pro Asyl und Amnesty International (AI) haben scharfe Kritik an der Ankündigung von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) geübt, im Zuge der Einwanderungs-Debatte das Asylrecht ändern zu wollen. AI-Asylreferent Wolfgang Grenz sagte der FR, Einwanderung und Asyl dürften "keinesfalls" vermischt werden. Auch für eine europäische Harmonisierung der Flüchtlingspolitik dürfe der Artikel 16 nicht beschnitten werden.

FRANKFURT A. M., 14. April. Innenminister Schily (SPD) hatte seine Forderung nach Änderung des Artikels 16 wiederholt mit angeblich niedrigeren Asylstandards anderer EU-Staaten begründet, denen man das deutsche Recht nicht aufzwingen könne. Dem widersprach AI am Freitag im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau energisch. Grenz zufolge hat der Flüchtlingsschutz in anderen EU-Ländern zwar keinen Verfassungsrang wie in Deutschland; der Anspruch auf ein Anerkennungsverfahren und auf eine zweite, unabhängige Klageinstanz, wie ihn der Artikel 16 enthält, sei aber auch in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) verankert, die alle 15 EU-Staaten binde. Bei einer EU-Einigung, so Grenz, "stört der Artikel 16 also nicht."

Grenz warnte, der derzeitige Angriff auf das Asylrecht ziele wohl letztlich auf die EU-weite Aufweichung der Genfer Flüchtlingskonvention selbst und ihrer Verfahrenszusagen. "Das traut sich nur niemand so deutlich zu sagen." Entsprechende Vorstöße Österreichs und Großbritanniens gibt es bereits. Behauptungen deutscher Unionspolitiker, mit der Umwandlung des Artikels 16 in eine institutionelle Garantie lasse sich der Zugang von Flüchtlingen begrenzen, nannte Grenz falsch: "Das geht nur, wenn man die GFK brechen oder eben ,ergänzen' will."

Der Asylexperte wandte sich entschieden dagegen, verfolgte Menschen mit Einwanderungsquoten "irgendwie zu kontingentieren". Der Schutz Verfolgter dürfe "nicht der Kontrolle des einzelnen Staates unterliegen". Derweil warf Pro Asyl Schily "Anbiederung" an Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) vor, der sein Angebot, über Einwanderungsregelungen zu diskutieren, mit der Forderung nach Abschaffung des Asyl-Grundrechts verknüpft habe. Wer darauf eingehe, betreibe "ein faules Koppelungsgeschäft: lieber Einwanderung als Asyl."

Das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) hat dpa zufolge an die Innenminister von Bund und Ländern appelliert, Maßnahmen zur Beschränkung des Aufenthalts anerkannter Flüchtlinge aufzuheben. In vielen Bundesländern habe sich die Praxis durchgesetzt, anerkannten Flüchtlingen bei Bezug von Sozialhilfe keine freie Wahl des Wohnsitzes zu erlauben, kritisierte der UNHCR am Freitag. In einem Schreiben an die Innenminister von Bund und Ländern bekräftigte der UNHCR, dass diese Praxis mit der GFK nicht vereinbar sei.