FTD vom 14.4.2000

Türkische Unternehmen sind wichtiger Wirtschaftsfaktor

Von Margaret Heckel, Berlin

Die 2,4 Millionen türkischen Staatsangehörigen und eingebürgerten Türken werden zu einem immer wichtigeren Wirtschaftsfaktor. Nach einer neuen Studie des Zentrums für Türkeistudien (ZfT) in Essen verfügten die 607.000 türkischen Haushalte im vergangenen Jahr über ein Nettohaushaltseinkommen von 28,4 Mrd. DM und gaben 22 Mrd. DM für ihren Lebensunterhalt und den Konsum aus.

Unter den 7,3 Millionen Ausländern in Deutschland stellen die Türken mit einem Anteil von 28,8 Prozent die größte Gruppe. Nicht nur für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands ist ihre soziale, aber auch wirtschaftliche Integration ein wichtiger Gradmesser. Wie die ZfT-Zahlen zeigen, will ein Großteil der seit den 60er Jahren eingewanderten Türken bleiben: Jeder sechste Haushalt besitzt bereits Wohneigentum hierzulande.

Auch die Zahl der Türken, die sich in Deutschland selbstständig machen, steigt stark an: Während die türkischstämmige Bevölkerung in den vergangenen zehn Jahren um 49,5 Prozent zugenommen hat, nahm die Zahl der türkischen Selbstständigen um 90 Prozent zu.

Während der überwiegende Teil der türkischen Firmen noch in den klassischen Bereichen Handel, Dienstleistungen und Gastronomie tätig ist, unterscheidet sich das Tätigkeitsprofil jüngerer Gründer kaum mehr von dem ihrer deutschen Altersgenossen. Sie gründen in allen Branchen ihre Unternehmen.

"Einige sind Handwerksmeister, andere Anwälte", sagt Yunus Ulusoy, Ökonom am Zentrum für Türkeistudien und Autor der Studie. Bis zum Jahr 2010 werde sich die Zahl der türkischen Unternehmer verdoppeln, sagt Sina Afra, Senior Manager bei der Unternehmensberatung KPMG in Frankfurt.

Auch die mit 23 bis 24 Prozent deutlich höhere Arbeitslosigkeit bei Türken werde den Trend zur Selbstständigkeit verstärken: "Viele wollen der Gesellschaft auf diese Art beweisen, dass sie mehr können, als ihnen zugetraut wird", sagt ZfT-Ökonom Ulusoy.

Ob ihr Unternehmen Erfolg hat, hängt sehr häufig vom Bildungsstand ab: "Viele starten, ohne professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen", erklärt Ulusoy. Auch die Banken sind nach Erfahrung von Nevber Kiliccioglu, Generalsekretärin des Verbandes der türkisch-europäischen Unternehmervereine (Tidaf), zögerlich gegenüber türkischen Gründern: "Noch ist es für türkische Jungunternehmer schwieriger, eine Finanzierung zu bekomme."

Nordrhein-Westfalen hat deshalb in Duisburg, Essen und Bonn regionale Transferzentren für ausländische Existenzgründer und Unternehmer eingerichtet. Eine hilfreiche Maßnahme, findet Ulusoy: "Mitglied dieser Beratungsteams sind auch Ausländer, die Erfahrung im Umgang mit Banken und Behörden haben."