Tagblatt St. Gallen 14.4.2000

Spionageprozess gegen Juden in Iran

Hinter verschlossenen Türen - Auseinandersetzung zwischen Konservativen und Gemässigten in Teheran

In der südiranischen Stadt Shiraz hat gestern der Prozess gegen 13 Juden begonnen, denen Spionage für Israel und die USA vorgeworfen wird.

Michael Wrase/Limassol

In dem Prozess sind auch acht iranische Moslems wegen Spionage angeklagt. Die Verhandlung vor dem Revolutionsgericht in Shiraz, die hinter verschlossenen Türen stattfand, wurde nach nur einer Stunde auf den 1. Mai vertagt. Den Angeklagten droht die Todesstrafe. Die 13 Juden und acht Moslems werden beschuldigt, «Informationen für Israel» gesammelt zu haben. «Starke und ausreichende Dokumente» bewiesen dies, behauptete vor kurzem der vorsitzende Richter eines Teheraner Revolutionsgerichtes, welcher der konservativen Fraktion unter den iranischen Geistlichen zugerechnet wird. Ein dem liberalen Lager um Präsident Chatami angehörender Geistlicher sagte dagegen, die Angeklagten seien «so lange unschuldig, bis vor Gericht die Wahrheit herauskommt». Diese unterschiedlichen Erklärungen erhärten nach Ansicht von Diplomaten in Teheran die These, dass ein «Machtkampf auf dem Rücken der jüdischen Minderheit in Iran» geführt werde. Deren Mitglieder «müssten als die natürlichen Feinde der Moslems angesehen werden», verkündete vor einer Woche der ultrakonservative Ayatollah Achmed Jannati in Teheran. Die jüdischen Angeklagten seien «Spione im Solde der Israelis und Amerikaner». Die 13 Juden waren im April vergangenen Jahres in Shiraz festgenommen worden. Die gegen sie erhobenen Vorwürfe bezeichnet Manuscher Eliaser, Parlamentsabgeordneter der iranischen Juden, als «irrational und unwahr». Politiker aus aller Welt hatten sich immer wieder für die Freilassung der 13 Juden eingesetzt. Hinter den Kulissen gab es anscheinend auch eine Reihe von Gesprächen. Dabei ging es nach Angaben der israelischen Tageszeitung «Haaretz» angeblich um den Preis, den «Israel für die Freilassung der Juden bezahlen muss». Der Staat Israel soll Iran noch fünf Milliarden Dollar schulden, und zwar für Rohöl, das noch zu Zeiten des Schahs geliefert worden sei. Weder iranische noch israelische Stellen haben dies kommentiert. Präsident Chatami dürfte an einem schnellen Ende des Prozesses und einem Freispruch Interesse haben. Ein Freispruch oder eine milde Strafe brächte ihm jedoch den Vorwurf der Konservativen ein, «westlichem Druck» nachgegeben zu haben.