Südostschweiz 12.4.2000

Wasser als Konfliktursache

Zweiter Anlass im Rahmen der ökumenischen Erwachsenenbildung

Im Rahmen der ökumenischen Erwachsenenbildung lud die Arbeitsgruppe Glarus weltoffen kürzlich zu einem weiteren Anlass ein. Es ging erneut um das Element Wasser - lokal und global bewegend.

VON PETER MEIER

Dr. Stefan Paradowski begrüsste, führte in eine Problematik ein, die wir vom Rande her kennen. Der Kanton Glarus ist mit Wasser reich gesegnet, hat auch schon Gefahren und Wucht erlebt. Dass aber Wasser ein Machtfaktor, eine massisve Konfliktursache ist, wurde mit dem Referat von Peter Boss-hard, Mitglied der Erklärung von Bern, Zürich, überdeutlich klar. Der Referent ist für internationale Finanzbeziehungen seit zwölf Jahren zuständig, er ist Kenner von schweizerischen Beteiligungen an Mammutprojekten im Ausland. Entsprechende Projekte verfolgt er mit, reist hin, sieht sich die Sache manchmal vor Ort an.

Ein Pokern um die Macht Es ist allgemein bekannt, dass das Wasser bei der Versorgung der stark wachsenden Weltbevölkerung eine Hauptrolle inne hat. Es ist zudem voraussehbar, dass wegen dieses lebenswichtigen Naturelements harte Auseinandersetzungen, ja Kriege geführt werden. Das Wasser ist ein Pokern um Macht. Übers Nutzen sind sich nicht alle gleichermassen einig (Beispiel Ägypten, Sudan und Äthiopien, Israel und Nachbarstaaten) oder Riesenprojekte in der Türkei und China. Der Bundesrat hat zu Gunsten von Projekten in der Türkei (Dammbau Ilisu), Dreischluchtenstau in China die jeweilige Exportrisikogarantie bereits intensiv geprüft, - wohl nicht im umfassenden Wissen, dass im Ilisugebiet 67 Dörfer verschwinden und viele Menschen umgesiedelt werden müssen. Das Dreischluchtenprojekt wird (falls alles zur Vollendung gelangt) zur Umsiedlung von 1 800 000 Menschen führen. Der 600 Kilometer lange Stausee wird einen gigantischen Verlust an fruchtbaren Böden zur Folge haben.

Beispiel Ilisu in der Türkei
Ilisu ist das gegenwärtig grösste Kraftwerkprojekt der Türkei und liegt am Tigris, unweit der syrisch-irakischen Grenze. Der geplante Stausee ist anderthalb mal grösser als der Neuenburgersee, die Entstehungskosten belaufen sich auf ungefähr 2,5 Milliarden Franken. Dutzende von Staudämmen würden entstehen. Für die Kredite beantragte das internationale Konsortium unter Leitung von Sulzer Hydro, mit Beteiligung von ABB, englischen, schwedischen und türkischen Firmen bei der Schweizerischen Exportrisikogarantie 400 Millionen Franken. Ilisu ist auch ein politisches Projekt: Die kurdische Bevölkerung ist nach der Umsiedlung besser kontrollierbar, gegenüber Syrien und Irak verfügt die Türkei laut Bosshard über ein Druckmittel, das sehr subtil eingesetzt werden kann. Die Entschädigungspolitik bei dieser Umsiedlung kommt nur den Land- und Hausbesitzern, nicht aber den Landlosen zu. Bosshard wies mit diesem Aufzeigen auf Umweltbelastung, sehr teure Stromerzeugung, ganz schlechte Informationspraxis, Verlust wertvoller Kulturflächen, fragwürdige Wirtschaftlichkeitsstudien, kurze Lebensdauer wegen Versandung und Verschlammung, Vernachlässigung einer jeweiligen Abklärung von alternativen Projekten.

Wachsender Widerstand
Der Widerstand gegen derartige Mammutvorhaben wächst dank internationaler Vernetzung. Gegen 20 Gruppen können weltweit zusammenspannen. Reformforderungen sind formuliert: Professionelle Umweltverträglichkeitsprüfung; Mitspracherechte bei Betroffenen. Die Weltbank hat sich von der Finanzierung derartiger Projekte weitgehend zurückgezogen. Menschen können sich zunehmend besser für ihre wirtschaftlichen und kulturellen Lebensgrundlagen einsetzen. Geldgebende und realisierende Instanzen haben sich intensiver als bisher mit sozialen und ökologischen Problemen zu befassen. Grosse Projekte konnten auch schon verhindert werden. Am Dreischluchtenprojekt in China ist die Weltbank nicht dabei. Betreiber spüren das Risiko.

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