junge Welt 11.04.2000

Warum haben Sie sich ausgezogen?

Die Iranerin Parvaneh Hamidi ist Künstlerin und lebt in Berlin. jW sprach mit ihr

F: Am Wochenende hatte die Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin zu einer Konferenz über »Iran nach den Wahlen - die Reformdymanik in der islamischen Republik« eingeladen. Auf Grund massiver Proteste mußte die öffentliche Veranstaltung am Samstag abgebrochen werden. Was hatten Sie gegen die Diskussionsveranstaltung?

Als Exil-Iranerin stört mich die scheinheilige Politik, die damit betrieben wird. Deutschland versucht damit doch nur, irgendwie bessere wirtschaftliche Beziehungen mit Iran zu haben. Um einen Vorwand zu haben und ins Gespräch zu kommen, wurden sogenannte Reformisten eingeladen. Für mich ist es der Anfang einer Annäherung, die ich ablehne. Und die Heinrich-Böll-Stiftung hat ja auch gesagt, daß durch die Proteste zwar die Konferenz, nicht aber der Dialog beendet wurde.

Es war nicht so, daß fortschrittliche Iraner und Regimegegner eingeladen wurden. Im Gegenteil: Hamid Reza Djalaipur, der als Publizist angekündigt war, war eigenen Angaben zufolge zehn Jahre lang Befehlshaber einer konterrevolutionären Einheit in den kurdischen Gebieten des Iran. Wenn der nicht zu dem System gehört, weiß ich nicht, wer sonst. Ein anderer Gast war Akbar Ganji, jahrelanger Leibwächter von Khomeini.

F: Angesichts der massiven Kritik hatten die Veranstalter den Gegnern der Konferenz angeboten, auf dem Podium teilzunehmen und mit den Gästen zu diskutieren. Warum haben Sie davon keinen Gebrauch machen wollen?

Die exiliranischen Organisationen hatten ursprünglich geplant, vor dem Veranstaltungsort ihre Aktionen durchzuführen. Sie wollten überhaupt nicht reingehen und die Veranstaltung stören. Am Freitag abend wurde von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Haus der Kulturen der Welt die Situation eskaliert. Eine Iranerin hatte auf der Veranstaltung um eine Schweigeminute für die tausenden Ermordeten und Hingerichteten im Iran gebeten. Ich fand das sehr legitim. Der Moderator hat sie nicht einmal zu Ende sprechen lassen. Er saß grinsend auf der Bühne und meinte: »Wir haben keine Zeit«. Daraufhin kam es zu den ersten Protesten.

Der private Sicherheitsdienst hatte schließlich versucht, die Frau aus der Halle zu schleppen. Als ein paar Freunde zum Schutz der Frau hinzukamen, wurde ein Mann verhaftet. Draußen wurde er brutal zusammengeschlagen.

Nachdem die Schweigeminute dann doch eingelegt worden war, waren wir ruhig. Als die Frau nach der Veranstaltung nach Hause gehen wollte, wurde sie in der Nähe ihres Autos abgefangen und brutal zusammengeschlagen. Die Polizei behauptete, es würde eine Anzeigen vom Haus der Kulturen der Welt und der Heinrich-Böll-Stiftung wegen Hausfriedensbruch vorliegen. Sie mußte schließlich ins Krankenhaus. Erst diese Provokation hat die iranischen Oppositionellen kurzfristig dazu gebracht, am Samstag so massiv gegen die Veranstalter zu protestieren.

F: Haben Sie sich deswegen der Versammlung provokativ in Unterwäsche und Kopftuch gezeigt?

Ich bin keine Politikerin, sondern Künstlerin und ein politisch denkender Mensch. Ich hatte mir diese Aktion schon vorab überlegt. Ich wollte die Aufmerksamkeit der Presse auf den Teil von uns lenken, der totgeschwiegen wird. Eine meiner Aktionen war, daß ich ganz ruhig und sehr zeremoniell meine Kleider ablege, ein Kopftuch umbinde und dann aus dem Saal gehe. Ich wollte damit demonstrieren: Die Kleidung, die ich tragen möchte, darf ich nicht tragen, die haben sie mir genommen. Und was ich trage, ist, was ich nicht will. Am Ausgang habe ich das Kopftuch abgenommen und es durch die Luft gewirbelt. Und dann ist auf einmal der Saal explodiert.

F: Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis Ihrer Performance?

Daß aus meiner Aktion eine kleine Revolte würde, die die Veranstaltung sprengt, hätte ich auch nicht gedacht. 1979, im Jahr der islamischen Revolution, war ich 17. Ich wollte zeigen, ich bin auch da, meine Generation ist noch nicht gestorben. Und sie versuchen, die Ermordeten unserer Generation unter den Teppich zu kehren. Dagegen wollte ich für wenige Minuten protestieren. Ich wollte nicht, daß die Veranstaltung total abgebrochen wird.

Ich kann aber die Wut vieler bei der Veranstaltung verstehen. Es kostet jede Menge Kraft, einem Herrn Djalaipur, der in Kurdistan so viele Morde begangen hat, zuhören zu sollen. Da saßen Kurden im Saal, die ihre Familien, ihre Männer, ihre Frauen, ihre Kinder verloren haben. Wenn so ein Mann von Demokratie spricht, ist das eine einzige Provokation.

Interview: Rüdiger Göbel