taz Berlin, 10.4.2000 Seite 19

Allah lehrt auf Alevitisch

Auch die liberalen Aleviten wollen jetzt islamischen Religionsunterricht anbieten. Sie reagieren damit auf das Gerichtsurteil zur Islamischen Föderation. Rahmenplan bereits ausgearbeitet von JULIA NAUMANN

Das Kulturzentrum Anatolischer Aleviten e. V. will so schnell wie möglich Religionsunterricht in der Hauptstadt anbieten. Einen entsprechenden Brief an Schulsenator Klaus Böger (SPD) hat der Verein bereits verfasst. Die Rahmenpläne sind ebenfalls fertig und wurden von einem Rechtsanwalt gepüft. "Wir warten nur noch auf einen konkreten Termin mit Herrn Böger, wo wir unser Anliegen vortragen können", sagte der Vorsitzende Metin Kücük gegenüber der taz. Er geht davon aus, dass dies in den nächsten Wochen geschehen werde.

In dem Brief heißt es, dass sechs Berliner alevitische Gemeinden das Kulturzentrum beauftragt haben, Religionsunterricht mit alevitischem Lehrplan ab dem nächsten Schuljahr zu beantragen. Der Vorstoß der Aleviten ist als Reaktion auf das Bundesverwaltungsgerichtsurteil vor anderthalb Monaten zu werten. Dort wurde die umstrittene Islamische Föderation endgülti g als Religionsgemeinschaft anerkannt und darf jetzt Religionsunterricht anbieten: "Wir können diesen Demokratiefeinden nicht den Islamunterricht überlassen", ist Kücüks Reaktion. Die Föderation, die vom Verfassungschutz überwacht wird, würde nur ihr "fundamentalistisches Verständnis vom Islam" tolerieren und andere Gläubige nicht akzeptieren. Das sei nicht hinnehmbar. "Wir waren geradezu gezwungen, den Antrag zu stellen." Viele alevitische Familien seien nach dem Urteil sehr besorgt gewesen. Für sie komme ein Religionsunterricht unter der Trägerschaft der Islamischen Föderation, die nur einen kleinen Teil der Muslime repräsentiere, nicht in Frage.

Die Aleviten rechnen sich gute Chancen aus, als Relionsgemeinschaft anerkannt zu werden. "Das Urteil im Februar hat gezeigt, dass nicht unbedingt eine strenge Organisationsstrukur vorhanden sein muss", sagt Kücük.

Alternativ könnte sich Kücük auch vorstellen, alevitische Lerninhalte in ein künftiges Fach, in dem alle Religionen berücksichtigt werden, einfließen zu lassen. "Es wäre gut, die unterschiedlichen islamischen Richtungen gemeinsam zu unterrichten", ist Kücük überzeugt."

Die Rahmenpläne der Aleviten sind deshalb auch auf Multireligiösität ausrichtet. In der 1. Klasse geht es in spielerischer Form um die Schulfreunde und die Familie, aber auch um Allah und den christlichen Gott. Das Thema "Vertrauen" wird besprochen, aber auch die verschiedenen Segenswünsche und Gebetsorte der Religionen.