Süddeutsche Zeitung 08.04.2000

6.4.2000

Polizeiübergriffe auf kurdische Politiker in Bayern

Führende Repräsentanten der Kurden in Deutschland gerieten diese Woche ins Fadenkreuz des Staatsschutzes. Bereits am Dienstag wurde die Wohnung des Abgeordneten des Kurdischen Nationalkongresses KNK, Haci Erdogan unter dem Verdacht der PKK-Unterstützung durchsucht. Und am Mittwoch durchwühlten die Staatsschützer fünf Stunden lang das Haus des Schriftstellers Haydar Isik bei München. Wie Erdogan wurde auch Isik als unabhängiger Intellektueller in den KNK gewählt. Der Kongreß gilt als das höchste politische Gremium für Kurden aus allen Teilen Kurdistans. Der Ermittlungsrichter wirft Isik vor, bei einem Friedensfestival im Dezember 1999 mit Klatschen reagiert zu haben, als ihn Tausende Kurden mit dem Ruf "Es lebe Apo" empfangen haben. In beiden Wohnungen beschlagnahmten die Ermittler Bücher und Zeitschriften zum Thema Kurdistan. Erdogan, arbeitet als Journalist für die Tageszeitung Özgür Politika und den Fernsehsender Medya TV. Seine Rechtsanwältin sieht daher in der Durchsuchung und Beschlagnahmung von Artikeln einen klaren Verstoß gegen die Pressefreiheit. Der 62-jährige Haydar Isik ist durch sein langjähriges Engagement für eine politische Lösung des Kurdenkonfliktes unter anderem im Arbeitskreis Kurdistan der Gewerkschaft GEW bekannt. Dies hinderte die Polizei nicht daran, Isik zur erkennungsdienstlichen Behandlung mitzunehmen. Die Beamten zwangen ihn in entwürdigender Weise, sich auszuziehen, um festzustellen, ob er Tätowierungen habe. "Vorfälle dieser Art erinnern an Vorgänge in der Türkei. Ich fühle mich bedroht", erklärte Isik, der nach dem Militärputsch von 1980 aus der Türkei fliehen mußte, gegenüber "Neues Deutschland".

Nikolaus Brauns, München