Stuttgarter Nachrichten, 7.4.2000

Konsulatsbesetzer dürfen bleiben

Verwaltungsgericht Stuttgart hebt Ausweisung gegen PKK-Sympathisanten auf

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat am Dienstag die Ausweisungsverfügung gegen drei Kurden aufgehoben. Die PKK-Sympathisanten hatten im Februar 1999 mit 29 anderen das griechische Generalkonsulat besetzt.

Von unserem Reporter MICHAEL ISENBERG

Rückblick: Wenige Stunden nach der Festnahme des PKK-Führers Abdullah Öcalan am 16.Februar 1999 in Kenia erreicht die Welle der gewaltsamen Kurdenproteste auch Stuttgart. Um 5.30 Uhr dringt eine 32-köpfige Gruppe in die Räume des griechischen Generalkonsulats in der Firnhaberstraße ein, besetzt und verwüstet die Büros. Es kommt zu handfesten Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die Kurden drohen, sich und das Gebäude in Brand zu setzen.

Um 13.10 Uhr stürmt ein Sondereinsatzkommando das Konsulat. Die Besetzer (und 163 Sympathisanten nahe der Vertretung) werden festgenommen. In den nächsten Tagen gerät die Stadt in die Nähe des Ausnahmezustandes. Demonstrationen, Blockaden und Brandsätze: Die PKK macht mobil.

Noch am Abend des 16.Februar beschließt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft, die Konsulatsbesetzer im so genannten beschleunigten Verfahren möglichst rasch vor das Amtsgericht zu stellen. Am 22.Februar beginnen die Prozesse gegen 18 Besetzer in Stammheim. Drei Angeklagte müssen hinter Gitter, die anderen erhalten mehrmonatige Bewährungsstrafen. Strafrechtlich ist die Konsulatsbesetzung damit erledigt.

Im Anschluss betreibt das Regierungspräsidium Stuttgart die Ausweisung der 18 Kurden- und scheitert damit auf der ganzen Linie. Alle Besetzer legen gegen ihre Ausweisung Widerspruch ein und klagen.

Bis auf eine Frau, die kurz nach der Besetzung nach Frankreich zurückgeschickt wird, wurde bis heute keiner der Kurden abgeschoben. Im Gegenteil: In sechs Fällen wurde die Ausweisungsverfügung nach Klage der Kurden vom Verwaltungsgericht Stuttgart aufgehoben, darunter in drei Fällen am Dienstag.

Die Anwälte der Kurden aus Heilbronn - zwei sind 26, einer 23 Jahre alt - machen geltend, ihre Mandanten hätten damals ¸¸in höchster Erregung'' und ¸¸spontan'' an der Besetzung mitgewirkt. Eine Ausweisung stünde in keinem Verhältnis zum Schaden, den die Männer in der Türkei zu befürchten hätten; und eine Wiederholungsgefahr für eine solche Straftat bestehe auch nicht.

Das Gericht bezeichnete die Besetzung als ¸¸schlimme Sache''. Die Asylanten hätten den Schutz, der ihnen in Deutschland gewährt werde, ¸¸ungut'' ausgenutzt. Andererseits fehle es bei den drei Männern am ¸¸nachweisbaren aktiven Tatbeitrag''. Die Hürden, die das Gesetz für die Abschiebung eines anerkannten Flüchtlings vorgesehen habe, seien hoch - und, so weit der am Dienstag bekannt gewordene Tenor des Urteils, im konkreten Fall nicht überschritten.

Der Vertreter des Regierungspräsidiums hatte argumentiert, dass die Besetzung ¸¸geplant und gesteuert'' gewesen sei. Von einer spontanen Aktion könne also nicht die Rede sein. Ein Kritikpunkt, den die Vorsitzende Richterin aufgriff: Der Umstand, dass alle Besetzer vom Amtsgericht lediglich im Sinne von Mitläufern verurteilt worden seien, hinterlasse ¸¸ein gewisses Unbehagen''.