taz, 7.4.2000

Verdient Iran an irakischem Öl?

Erstmalig hat die iranische Marine einen Tanker gestoppt, der trotz UN-Embargo irakisches Öl exportierte. BBC-Berichten zufolge verdiente der Iran bisher am Schmuggelgeschäft mit Waren aus Bagdad. Teheran weist "Gerüchte" zurück

von FLORIAN HARMS

Die iranische Nachrichtenagentur Irna verbreitete gestern eine politisch hochbrisante Meldung. Am Samstag hat die iranische Marine demzufolge im Persischen Golf einen unter honduranischer Flagge schippernden irakischen Tanker gestoppt. Seine Fracht: 2.500 irakisches Erdöl. Der Import von Öl aber ist dem Irak durch das 1990 nach dem Einmarsch in Kuwait verhängten UN-Embargo verboten.

1996 startete die UN das Hilfsprogramm "Öl für Lebensmittel", das dem Land erlaubt, jährlich eine begrenzte Menge des begehrten Rohstoffs zu verkaufen, um Lebensmittel und Medikamente zu erwerben. Nach eigenen Angaben hat der Irak seitdem Öl im Wert von 34 Milliarden Mark verkauft, im Gegenzug aber nur für ein Drittel der Summe Lebensmittel eingeführt. Deshalb wirft die Regierung in Bagdad Großbritannien und den USA vor, weitere humanitäre Leistungen zu blockieren. Die UN habe zudem 12 Millionen Mark als Entschädigung für die Besetzung Kuwaits einbehalten.

Es ist nicht das erste Mal, das ein irakisches Schiff bei verbotener Ölausfuhr entdeckt und gestoppt wird. Anfang Februar hatten US-Marineinfanteristen, die das Embargo gegen den Irak überwachen, einen russischen Tanker mit geschmuggeltem irakischen Öl auf der Fahrt in die Vereinigten Arabischen Emirate aufgebracht. Die Embargo-Überwacher legen die Sanktionen strikt aus. Im Januar machte die kuwaitische Küstenwache ein Schiff aus, das irakische Datteln transportierte; auch solche Frachten hat die UN untersagt. Jetzt hat Teheran erstmals offiziell die Aufbringung eines irakischen Öltankers bekannt gegeben. Gründe für diese Offenheit scheinen zum einen zunehmender US-amerikanischer Druck, zum anderen die erstarkende Kooperationsbereitschaft der Reformer um Staatspräsident Chatami zu sein. Brisanz erlangt die Nachricht der staatlichen iranischen Presseagentur, weil die iranische Führung damit auf Vorwürfe aus Washington reagiert, der Mullah-Staat würde an den gegen seinen ehemaligen Todfeind verhängten Sanktionen verdienen. Bis 1988 führten Iran und Irak den ersten Golfkrieg, der beide Länder an den Rand des wirtschaftlichen und sozialen Kollapses brachte. Beide Seiten übertrafen sich in internationalen Gremien mit Diffamierungen des Gegners.

Der britische Sender BBC erwähnte gestern jedoch Berichte, nach denen die iranische Marine gegen Bestechungsgelder die irakische Unterlaufung des Embargos aktiv unterstütze. 100 Mark verdiene Iran an jeder Tonne irakischen Öls, das ungehindert den Persischen Golf passieren könne, gefälschte Frachtpapiere eingeschlossen. Die iranische Regierung hat derartige Gerüchte in der Vergangenheit stets zurückgewiesen. Die Offenheit aber, mit der jetzt über den gestoppten irakischen Öltanker berichtet wird, legt nahe, dass der Iran nun auf die Vorwürfe reagiert. Warum sollte Teheran dies tun, wenn gar nichts passiert wäre?

Bleibt die Frage, wem im Irak die auf einen jährlichen Wert von über einer Milliarde Mark geschätzten Verstöße gegen das Embargo nutzen. Der frühere Leiter des UN-Hilfsprogramms für den Nahoststaat, Hans von Sponeck, ist Ende März aus Protest gegen die Sanktionen zurückgetreten Er wirft deren Befürwortern vor, nicht das brutale Regime Saddam Husseins, sondern ausschließlich die irakische Bevölkerung zu treffen. Kindersterblichkeit, Unterernährung, Zusammenbruch des medizinischen und des Bildungssystems seien die katastrophale Folgen, unter denen diejenigen zu leiden hätten, die sowieso schon politisch von Saddam Hussein unterdrückt würden. Der dagegen scheint nach wie vor über gesegnete Finanzen zu verfügen und lässt sich einen Palast nach dem anderen bauen.