Financial Times Deutschland vom 5.4.2000

Griechisch-türkische Freundschaft ist noch zerbrechlich

Von Regina Röttgen, Istanbul

Die Annäherung zwischen den verfeindeten Nachbarn Türkei und Griechenland beschränkt sich derzeit noch vor allem auf eine Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet. Die wirklich heiklen Probleme - die Zypern-Frage und der Grenzstreit in der Ägäis - haben an Brisanz noch nicht verloren.

Immerhin werden sie von den Regierungen in Ankara und Athen aber derzeit weitgehend ausgeklammert. Will Bundespräsident Johannes Rau bei seiner Zweiländerreise diese Annäherung fördern, wird auch er dieses Problem nicht ansprechen. Johannes Rau wird am heutigen Mittwoch in Ankara erwartet.

Der überraschende Wandel in den türkisch-griechischen Beziehungen vollzog sich nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei vom August vorigen Jahres. Die griechische Erdbebenhilfe hinterließ bei den Nachbarn einen tiefen Eindruck. Darauf folgende gegenseitige "historische" Besuche der Außenminister Ismail Cem und Giorgos Papandreou legten Anfang des Jahres das Fundament einer bleibenden Annäherung. Es waren die ersten Besuche der Chefdiplomaten beider Länder seit 40 Jahren.

Seitdem hat sich die Entspannung zwischen den Erzfeinden in bilateralen Abkommen zur Zusammenarbeit in Wirtschaft, Technologie, Bildung und Terrorismusbekämpfung konkretisiert. Für andere Nachbarn sind solche Verträge an der Tagesordnung. Für die beiden Ägäisstaaten war das ein großer Schritt - standen die Nato-Partner in den vergangenen 25 Jahren doch dreimal kurz vor einem Krieg.

Deshalb wird der Streit über das geteilte Zypern bisher auch von beiden Seiten als "internationales Problem" tituliert, das von den Vereinten Nationen gelöst werden sollte. Hier hängt die Annäherung am seidenen Faden. Ebenso sind im Territorialstreit in der Ost-Ägäis die Fronten noch verhärtet. "Wir haben jetzt eine solide Basis, um die gemeinsame Zukunft unserer Völker zu gestalten", sagte aber der türkische Außenminister Ismail Cem nach der Signatur der bilateralen Abkommen.

Jenseits des vollbrachten "großen Werks" müsse jede weitere Annäherung aber vorsichtig Schritt für Schritt erfolgen, mahnte er. Dennoch ist man in Ankara zuversichtlich, dass Fortschritte möglich sind. Anfang März kam eine griechische Delegation von acht Ministern nach Ankara, um die türkische Regierung bei Fragen zum angestrebten Beitritt in die Europäische Union (EU) zu beraten.

Zumindest ein problematisches Thema wird Rau kaum umgehen können: den Wunsch der Türkei nach deutschen Leopard-II-Panzern. Denn allen politischen Freundschaftsbekundungen gegenüber Athen zum Trotz begegnen die türkischen Militärs der Annäherung noch mit starkem Argwohn. Gemeinsamen Manövern und unbewaffneten Testflügen stimmen sie zu. Doch begründen die Generäle zumindest einen Teil der geplanten Modernisierung der türkischen Tankerflotte noch damit, dass das militärische Gleichgewicht mit dem provokativ aufrüstenden Nachbarland gewahrt werden müsse.