Hamburger Abendblatt 05.04.00

Berlin - Rechtsextremisten sind wieder im Vormarsch.

Vor allem in Ostdeutschland steigt die Zahl gewaltbereiter Gruppen der rechten Szene. Dies geht laut der Agentur Reuters aus dem Verfassungsschutzbericht 1999 hervor, den Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) heute in Bonn präsentieren wird. Die meisten rechten Gewalttaten richteten sich danach erneut gegen Fremde. Die Zahl linksextremistisch orientierter Gewalttaten war 1999 dagegen rückläufig. Eine wachsende Gefahr für die innere Sicherheit geht dem Bericht zufolge auch von gewaltbereiten Islamisten aus. Vor allem der Zulauf zur Szene der gewaltbereiten Rechtsextremen macht den Verfassungsschützern Sorge. Demnach wurden Ende vorigen Jahres 9000 gewaltbereite Rechtsextremisten gezählt - fast zehn Prozent mehr als 1998. Die Zahl aller Rechtsextremisten lag mit 51 400 um vier Prozent unter der des Vorjahres. Regionaler Schwerpunkt der Gewalttaten war Ostdeutschland. Dort wurden durchschnittlich 2,19 rechtsextremistische Gewalttaten je 100 000 Einwohner gezählt, im Westen nur 0,68. Trotz Rückgangs keine Entwarnung bei linksextremistisch motivierten Gewalttaten: Brandanschläge, gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr sowie ein relativ hoher Anteil von Körperverletzungen machten, so der Bericht, das Gewaltpotenzial von Linksextremen deutlich. Die Masse militanter Aktionen bis zur "Ausbildung terroristischer Ansätze" sei auch 1999 von der autonomen Szene ausgegangen. Besonders im Visier der Verfassungsschützer: der Islamismus. Er entwickle sich "zu einer Herausforderung für die freiheitlich demokratische Gesellschaft". Bei den Gewalttaten wurde ein deutlicher Anstieg festgestellt, der vor allem auf die Protestaktionen von Mitgliedern der Kurdischen Arbeiterpartei PKK nach der Festnahme von PKK-Chef Abdullah Öcalan zurückzuführen sei. So stieg die Zahl der Gewalttaten von 258 in 1998 auf 391 an. Der PDS wird erneut ein mangelndes Bekenntnis zur "freiheitlich demokratischen Grundordnung" attestiert. Sie dulde "unverändert die Existenz extremistischer Strukturen innerhalb der Partei" und halte "am Ziel der Systemüberwindung fest". (rtr)