Süddeutsche Zeitung, 3.4.2000

Türkische Armee dringt in den Nordirak ein

Tunceli/Istanbul (Reuters/AP) - Die türkische Armee hat nach Angaben aus Militärkreisen die Grenze zum Irak überschritten und dort Kämpfer der kurdischen Arbeiterpartei PKK angegriffen. An der Offensive vom Samstag seien 5000 bis 7000 Soldaten beteiligt, die von Kampfhubschraubern unterstützt würden, hieß es weiter. Die Truppen seien rund zehn Kilometer weit auf irakisches Territorium vorgerückt und hätten dort Rebellen bekämpft, die zuvor näher an die türkische Grenze vorgerückt seien. Einzelheiten wurden nicht bekannt. Zugleich durchkämmten den Angaben zufolge rund 10 000 türkische Sicherheitskräfte erstmals in diesem Jahr Bergregionen im Osten des Landes nach PKK-Kämpfern.

Etwa 50 000 Soldaten wurden an der türkisch-irakischen Grenze zusammengezogen, um möglicherweise an einer größeren Operation teilzunehmen. Die Türkei entsendet regelmäßig Soldaten nach Nordirak, um dort gegen Kämpfer der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) vorzugehen. Der türkische Fernsehsender NTV berichtete, die Streitkräfte hätten die Grenze überschritten, nachdem sie erfahren hätten, dass die Rebellen ihre Lager in der Nähe der Grenze wieder aufbauen wollten. Der Norden Iraks ist der Kontrolle Bagdads entzogen und wird von zwei rivalisierenden kurdischen Gruppen regiert. Eine der Gruppen kämpft mit der türkischen Armee gegen Angehörige der PKK.

Die Rebellen hatten sich im Herbst in ihre Stützpunkte in Irak zurückgezogen, nachdem sie einen Waffenstillstand verkündet hatten. Der zum Tode verurteilte PKK-Chef Abdullah Öcalan hat seinen Kämpfern einen einseitigen Waffenstillstand befohlen und sie aufgefordert, sich aus der Türkei zurückzuziehen. Zudem hatte er den Anspruch auf einen eigenen Kurdenstaat aufgegeben und stattdessen Autonomie und kulturelle Eigenständigkeit für die Kurden gefordert. Die türkische Regierung hatte die Friedensangebote jedoch als taktisches Manöver zurückgewiesen, mit dem Öcalan seinen Kopf retten wolle.

Ermittlungen gegen Kurden

Unterdessen begannen die türkischen Behörden offenbar mit Ermittlungen gegen Lokalpolitiker. Diesen wird vorgeworfen, beim kurdischen Neujahrsfest Newruz am 21. März in der Öffentlichkeit kurdisch gesprochen zu haben. Dies teilte die Demokratische Partei des Volkes am Samstag mit. Der Gebrauch der kurdischen Sprache ist zwar allgemein seit 1991 wieder erlaubt, dies gilt jedoch nicht für politische oder offizielle Veranstaltungen.