taz, 3.4.2000 Seite 18

Kopftuch und Aldi-Tüte unterm Arm

Wie tragen die Medien zur Ausländerfeindlichkeit in Deutschland bei? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein längst überfälliger Sammelband zum Thema "Medien und multikulturelle Gesellschaft". Eine Besprechung Türken im deutschen Fernsehen? Das sind die mit dem Kopftuch und der Aldi-Tüte unterm Arm. Drogendealer in den Lokalteilen deutscher Zeitungen? Sehen meistens "südländisch" aus. Erpresser, Vergewaltiger, Betrüger? Die stammen, Fans von Aktenzeichen XY wissen das, meist aus dem ehemaligen Jugoslawien. Vom berühmt-berüchtigten Spiegel-Titel mit dem vor Flüchtlingen überquellenden Boot namens Deutschland bis hin zu fremdsprachigen Folgen der Lindenstraße - die Mediendarstellung hat für das Bild, das wir uns von Zuwanderern machen, zweifellos eine große Bedeutung.

Selten wurde dies deutlicher als im April des Jahres 1997. "Ausländer und Deutsche - gefährlich fremd. Das Scheitern der multikulturellen Gesellschaft" titelte der Spiegel und löste mit seiner Provokation heftige Reaktionen aus. Vor dem Hintergrund der Debatte um eine gesetzliche Regelung der Zuwanderung hatte das Nachrichtenmagazin ein düsteres Sittenbild verslumter Großstadtviertel gezeichnet, in denen marodierende Jugendgangs die Sicherheit des Normalverbrauchers bedrohen, wenn sie nicht gar den Parolen islamistischer Rattenfänger huldigen. Ausländer entzögen sich der Integration, Zuwanderer seien krimineller als Deutsche, so das raunende Fazit, das von der Rechten erfreut wahrgenommen wurde, während linke und liberale Kommentatoren erschrocken vor unreflektiertem Populismus warnten.

Wie werden Zuwanderer in den Medien dargestellt? Welche Chancen haben Immigranten, im hiesigen Mediensystem zu Gehör zu kommen? Das sind die Fragen, die in den darauf folgenden Diskussionen zwar öfters angeschnitten wurden, jetzt aber erstmals wissenschaftlich fundiert beantwortet werden.

"Medien und multikulturelle Gesellschaft" heißt der von der Forschungsstelle für interkulturelle Studien der Universität Köln herausgegebene Reader, der die Grundlagen der Diskussion auch für Laien nachvollziehbar machen soll. Da wird die Berichterstattung des Spiegel seziert, die Problematik der Bezeichnung "Ausländer" grundlegend erläutert, wird nachgewiesen, wie negativ Zuwanderer häufig in den Zeitungen dargestellt werden.

"Nur böse Ausländer sind gute Ausländer", so wandelt der Politologe Christoph Butterwegge in seinem Beitrag die alte Phrase "Only bad news are good news" ab. Ausgesprochen selten, so schreibt er, würden die Vorteile des Zusammenlebens mit Fremden geschildert, sehr häufig dagegen Nachteile und scheinbare Gefahren herausgestellt. Wie Fremde beschrieben würden, das sei geradezu grotesk und absurd - wenn sie denn überhaupt Platz in den Medien fänden.

Vom Skinhead zum Kolumnisten, von der sozialen Benachteiligung zum Fremdenhass, vom Titel zur Tat zieht Christoph Butterwegge seine argumentative Linie. Dass er der Diskussion über "Medien und multikulturelle Gesellschaft" wie gewünscht neue Impulse verleiht und über das Fachpublikum hinaus auch interessierte Laien erreicht, ist mit diesem Aufsatz durchaus denkbar.

Leider kann man dies nicht von allen Beiträgen des Bandes behaupten. Einige bleiben zu abstrakt, andere sind methodisch fragwürdig, dritte zeugen eher von den ideologischen Scheuklappen ihrer Autoren denn von gesellschaftlicher Realität. Die Prognose, wegen der Ausländerpolitik der CDU könne sich Berlin zu einem Abbild von Hitlers geplanter Reichshauptstadt Germania entwickeln, ist da ein Beispiel. Und am Schluss wundert man sich ein wenig: Dass in einer solchen Untersuchung nicht ein einziger fernsehwissenschaftlicher Beitrag zu finden ist, der sich mit der fiktionalen Darstellung von Migranten beschäftigt, und sei es eben mit den fremdsprachigen und deutsch untertitelten Folgen der Lindenstraße.

Zur populären Kultur scheinen die Herausgeber keinen Zugang gefunden zu haben. Dabei lassen sich gerade hier längst Beispiele finden, bei denen Zuwanderer positiv dargestellt werden. Die RTL-Serien SK-Babies und Sinan Tobrak etwa. Dort agieren türkische Hauptdarsteller. Ohne Kopftuch und ohne Aldi-Tüte unterm Arm. ULRICH NOLLER

Christoph Butterwegge, Gudrun Hentges, Fatma Sarigöz (Hrsg.): Medien und multikulturelle Gesellschaft. Leske & Budrich, Opladen 1999, 228 S., 39 Mark.