taz Bremen, 3.4.2000 Seite 21

Kommentar: Gefühltes Alter

Der Bremer Spartrick

Heute 13, morgen 16, zwei Wochen später wieder 13: Wer aus der ZASt kommt, kann alt aussehen - erst das Verwaltungsgericht wird dann zum Jungbrunnen. Scheinbar willkürliche Altersentscheidungen wie aus dem Würfelbecher sind in Wahrheit wohlkalkuliert: Nicht zufällig überschreiten sie meist denkbar knapp die magische Grenze von 16 Jahren. Auf diese Weise als "asylmündig" deklariert, genießen die Flüchtlinge keinen spezifischen Jugendschutz und können "umverteilt" werden - Bremens strapazierte Sozialhilfekasse wird geschont.

Gleichzeitig steht diesen Jugendlichen kein Vormund zur Seite. In Aufnahmeorten ohne engagierte Flüchtlingsgruppen oder spezialisierte Anwälte ist es daher unwahrscheinlich, dass sie die Entscheidung anfechten. Wohl auch deshalb kommt kaum einer nach Bremen zurück.

Um die Schätzpraxis in der Bremer Aufnahmestelle realistisch zu bewerten, wären Daten über die Zahl der Fälle notwendig. Dass die Behörde sie angeblich nicht regis- triert, riecht nach Verschleierung. Viele junge Flüchtlinge fälschen ihr Alter, um besseren Abschiebeschutz und Betreuung zu erlangen. Natürlich kann Bremen sie nicht alle aufnehmen. Aber die bisherige Verwaltungspraxis provoziert Fehler - wie das Beispiel des ausgesprochen kindlichen Abdallah L. zeigt. Dabei gibt es eine einfache Lösung, die Fehlentscheidungen minimieren würde: Kollegiale Schätzungen unter Einbeziehung von Fachkräften und Landsleuten der Betroffenen. Jan Kahlcke