taz Berlin, 31.3.2000

Im April endet die Schonfrist

Kosovaren müssen schnell ausreisen. Ansonsten droht ihnen die Abschiebung

Ab morgen laufen bundesweit die Duldungen für die Kosovo-Albaner aus. In Berlin werden daher schätzungsweise 4.000 bis 8.000 Kosovaren in den nächsten Wochen zur "freiwilligen Ausreise" gezwungen: Sie bekommen eine "Grenzübertrittsbescheinigung" und müssen innerhalb von vier Wochen ausreisen. Tun sie das nicht, können sie per Flugzeug nach Priðtina oder Skopje abgeschoben werden.

Diejenigen, die innerhalb der Frist freiwillig ausreisen, bekommen die Flugkosten und einen Zuschuss von maximal 300 Mark. In Priðtina gibt es eine so genannte Überbrückungshilfe von maximal 1.350 Mark pro Familie. Doch das ist bisher auch schon alles. Ein Kontaktbüro von Wirtschaft und Senat, das Aufträge für Berliner Firmen koordinieren und möglicherweise auch Arbeitsplätze vermitteln soll, eröffnet erst in einem Monat.

Ein zusätzliches Arbeitsbeschaffungsprogramm, das das Büro der Ausländerbeauftragten Barbara John (CDU) entwickelt hat, soll einheimische oder deutsche Betriebe im Kosovo ermutigen, Rückkehrer einzustellen. Das Land Berlin will maximal 6.000 Mark Lohnkosten mit Geldern aus dem Sozialhilfetopf bezuschussen. Das Programm wird derzeit noch in den Senatsverwaltungen diskutiert. Wann es verabschiedet wird, ist fraglich.

Hauptgrund für das Ausbleiben ausländischer Investoren im klein-und mittelständischen Bereich im Kosovo sind nach wie vor die ungeklärten Eigentums-und Rechtsverhältnisse vor Ort. Von den 100.000 zerstörten Häusern sind erst rund 10.000 repariert worden.

Orientierungsreisen, die Innenminister Otto Schily (SPD) im vergangenen Jahr angekündigt hatte, scheiterten an Visabestimmungen und der Finanzierung. Kosovaren hätten so die Möglichkeit gehabt, für einige Wochen in das Kosovo zu reisen, um vor Ort ihre Rückkehr vorzubereiten.

Von den 320 so genannten Kontingent-Flüchtlingen, die während des Krieges nach Berlin kamen, sind schon 261 zurückgekehrt. Von den übrigen Kosovo-Albanern, die teilweise seit acht Jahren in Berlin leben, haben bisher fast 1.000 die Stadt verlassen. Daneben gibt es noch Kosovaren, die im Asylverfahren sind. Wie viele von ihnen in Berlin leben, ist nicht bekannt. Sie haben eine Aufenthaltsgestattung, die alle sechs Monate verlängert wird. Sie sind zwar nicht von Abschiebung bedroht, haben jedoch auch keine Aussicht auf Asyl, seit die Nato im Kosovo ist.

Die Innenminister rechnen damit, dass die rund 170.000 in Deutschland lebenden Kosovaren bis zum Ende des Jahres zurückgekehrt sind. Schon jetzt ist der Druck groß: in Berlin wird Kosovaren immer häufiger die Sozialhilfe entzogen oder gekürzt, weil ihnen unterstellt wird, dass sie lediglich nach Deutschland eingereist seien, um Sozialhilfe zu beziehen.

Kadri Mulaj, Gerichtsdolmetscher und Flüchtlingsberater, bezeichnet die Situation der Kosovo-Albaner als "bedrückend". Von der Euphorie, nach dem Krieg endlich nach Hause zurückkehren zu können, sei nicht viel übrig geblieben. Das liege an fehlenden Hilfeleistungen und an der nach wie vor angespannten Lage im Kosovo.

Der Flüchtlingsrat fordert für die Kosovaren, die schon seit fünf Jahren in Deutschland leben, ein dauerhaftes Bleiberecht und wendet sich strikt gegen Abschiebungen. Marieluise Beck (Grüne), Ausländerbeauftragte des Bundes, hat dafür plädiert, die Rückkehr der Kosovaren langsamer als geplant umzusetzen. JULIA NAUMANN