taz, 31.3.2000

Papa aller Türken

Der türkische Staatspräsident Süleyman Demirel gilt als Garant für Stabilität. Eine zweite Amtszeit droht trotzdem zu scheitern

Er ist der grand old man der türkischen Politik. Was hat Süleyman Demirel nicht schon alles durchgemacht! In den Himmel gehoben haben sie ihn, dann fallen gelassen, verhaftet. Sie, das sind die wahren Machthaber der Türkei: die Generäle der "großen vaterländischen Armee". Die noch immer bestimmt haben, wohin die türkische Politik zu steuern hat.

Süleyman Demirel haben sie nicht geschafft. In den 60er-Jahren begann der Wasseringenieur seine politische Kariere bei der rechtsgerichteten "Gerechtigkeits-Partei". 1965 führte er diese zum Wahlsieg und wurde mit 39 Jahren jüngster Premierminister. In den Jahren danach verstand es der gewiefte Taktiker, diesen Posten siebenmal zu behaupten. Demirel, der Sohn armer Bauern, war ganz oben angelangt.

Der Sturz war umso tiefer. Als das Militär 1980 putschte, setzte es Demirel nicht nur ab, sondern verbot ihm jede politische Betätigung. Aber Demirel machte weiter, gründete 1983 die "Partei des rechten Weges" und erreichte durch ein Referendum die Aufhebung seines Politikverbots. 1991 war er wieder Premierminister, und als Staatspräsident Turgut Özal 1993 plötzlich starb, hatte Demirel wieder genug Einfluss, um sich zu dessen Nachfolger wählen zu lassen.

Seitdem stehen auch die Generäle hinter ihm und sind voll des Lobes über den national gesinnten Präsidenten. Als solcher hat Demirel durchaus Erfolge vorzuweisen. Die Zollunion mit der EU und die strategische Allianz mit Israel sind Früchte seiner Amtszeit. Im Schulterschluss mit den Militärs drängte er die demokratisch gewählte islamistische "Tugendpartei" aus der Politik. Allerdings ist der Streit mit Griechenland um Zypern noch immer ungeschlichtet. Auch der verlustreiche Feldzug gegen die PKK ist in der Türkei umstritten. Doch hat es Demirel geschafft, sich in der türkischen Bevölkerung als den großen Koordinator darzustellen. "Baba", Papa, wird er genannt. Im Mai läuft die siebenjährige Amtszeit von "Baba" ab, eine zweite untersagt die Verfassung. Weil die Regierung von Bülent Ecevit aber meint, nicht auf den 75-Jährigen verzichten zu können, wollte sie am Mittwoch für ihn die Verfassung ändern. Allein, die Parlamentarier machten nicht mit. 114 Stimmen fehlten zur Zweidrittelmehrheit. Das sind mehr, als ein Mann wie Demirel verträgt. Der Präsident sagte sofort drei Auslandsreisen ab. Das politische System der Türkei ist wieder mal in der Krise. Doch dürfte "Baba" auch diese meistern. Mesut Yilmaz, bereits als Nachfolger gehandelt, dementierte eilig sein Interesse. Er weiß, dass Demirel den Rückhalt des Militärs hat. Das ist entscheidend in Ankara. FLORIAN HARMS