junge Welt, 30.03.2000

Öffentlichkeit ausgeschlossen

Vorläufig keine Schließung des Asylbewerberheims Tambach- Dietharz

Um auf die katastrophale Situation der Flüchtlinge im Asylbewerberheim Tambach-Dietharz aufmerksam zu machen, lud das »Freiheitliche Komitee der AsylbewerberInnen« in Georgenthal/Thüringen am Dienstag Parlamentarier und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen zu einem »Besichtigungstermin« in die Unterkunft ein.

Das Komitee, das von den Bewohnern selber gegründet wurde, forderte die sofortige Schließung des Asylbewerberheims und eine dezentrale Unterbringung der betroffenen Flüchtlinge. Das ehemalige GST-Lager für vormilitärische Ausbildung liegt abgeschieden mitten in einem Wald, fünf Kilometer von der nächsten Ortschaft entfernt. »Die zirka 500 Bewohner des Heimes leben, von der Bevölkerung isoliert, unter menschenunwürdigen Bedingungen«, beklagte Regina Andresen, Mitglied des Vereins Menschlichkeit e.V. in Nienburg/Weser, gegenüber jW am Mittwoch. Der Verein Menschlichkeit e.V. unterstützt seit 1997 die Bewohner des Heims mit ihren Forderungen. Laut Andresen seien teilweise sechs Personen in einem 30 Quadratmeter großen Raum untergebracht. Die sanitären Einrichtungen befänden sich in einem kathastrophalen Zustand, es fehlten Freizeiteinrichtungen sowie Sozialräume. Hinzu kämen Konflikte mit dem Sicherheitspersonal.

Die Ursache für die von den Bewohnern als unerträglich empfundene Situation sei nicht nur der »kritikwürdigen Rechtslage« im Asylrecht, sondern zum großen Teil auch der Betreiberfirma selbst zuzuschreiben, betonte Carsten Hübner von der PDS-Bundestagsfraktion. Für das Heim ist nach Angaben Hübners die Firma EWS (Energie Wasser Sanitär) aus Suhl verantwortlich. Das Unternehmen habe inzwischen Konkurs angemeldet und werde daher von einem Konkursverwalter geleitet. Der Betreibervertrag laufe allerdings noch bis Ende des Jahres 2002. In Anbetracht der Bedingungen, die in der Einrichtung herrschen, ließe sich eventuell eine vorzeitige Vertragskündigung seitens des Landes erwirken, so Hübner. Eine sofortige Schließung des Heims halte man in der PDS aber derzeit für unrealistisch.

Der Einladung des Komitees waren Vertreter des Flüchtlingsrats Thüringen, des Innenministeriums, der PDS Thüringen und einer Menschenrechtsgruppe aus Göttingen gefolgt. Im Gespräch mit jW zeigt sich Regina Andresen von dem Treffen jedoch enttäuscht. Die Reaktionen der Gäste seien eher unbefriedigend gewesen. Anstatt wirklich auf die Asylbewerber einzugehen, hätten sich die Geladenen gleich zu Beginn zu einer längeren Beratung mit der Heimleitung zurückgezogen. Die Unterredung habe unter Ausschluß der Heimbewohner und Journalisten stattgefunden. »Wir fühlen uns hintergangen und hätten zumindest erwartet, daß ein Vertreter des Komitees an dem Gespräch beteiligt wird.« Bei einer anschließenden Anhörung der Asylbewerber seien Bitten und Fragen seitens der Heimbewohner von Heimleitung und Gästen nur ausweichend beantwortet worden, beklagt Andresen.

Claudia Wondratschke

* Infos: Menschlichkeit e.V., Weserstraße 6, 31582 Nienburg/Weser. Tel/Fax: (05021) 914865