junge Welt, 30.03.2000

Rosa-rote Asylpraxis

Keine Veränderung der Flüchtlingspolitik unter SPD-PDS in Schwerin

Die Zeit der Provisorien und ohne Büro ist für den Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern jetzt vorbei. In der vergangenen Woche konnte der Verein für Flüchtlingssolidarität endlich seine Landesgeschäftsstelle in der Schweriner Körnerstraße 17 eröffnen. Ein Mitarbeiter konnte in dem Haus, in dem auch die Regionalstelle für Ausländerangelegenheiten (RAA) Schwerin ihren Sitz hat, seine Arbeit aufnehmen. Die Zeit, da es lediglich eine Postfachadresse gab, ist beendet. Die Sprecherin des Landes- Flüchtlingsrates und Ausländerbeauftrage der Stadt Schwerin, Annette Köppinger, zeigte sich auf der Eröffnungsfeier dann auch sichtlich erleichtert über diese veränderte Situation der Flüchtlingssolidaritätsarbeit im Land.

Weniger Erleichterung über die Situation von Flüchtlingen im Land kam auf, als der Ex-Landessprecher der Grünen, Heiko Lietz, von seinen Erfahrungen aus der Arbeit im Abschiebegefängnis des Landes berichtete. Danach werden die abgelehnten Asylbewerber, deren Abschiebung vorbereitet oder »gesichert« werden soll, in einem Sonderbereich der Justizvollzugsanstalt Bützow unter katastrophalen Bedingungen verwahrt. In einem Gefängnis im Gefängnis sind bis zu 30 Ausländer teilweise 23 Stunden am Tag unter Verschluß. Asylbewerberinnen werden in andere Bundesländer geschickt.

Wie aus der Antwort auf eine kleine Anfrage des PDS- Landtagsabgeordneten Monty Schädel vom Januar hervorgeht, sind von Oktober 1998 bis Dezember 1999 161 Asylbewerber im Alter zwischen 15 und 61 Jahren für bis zu 259 Tage unter diesen Bedingungen eingesperrt gewesen. Und das, obwohl die Ausländer nicht kriminell sind. Einige von ihnen haben sich lediglich der Abschiebung in ihr Herkunftsland widersetzt. Ein Kontakt zur Außenwelt ist für die Inhaftierten nur schwer möglich. Eine regionale Solidaritätsgruppe sucht deshalb über verschiedene Zeitungen nach Radio- und Fernsehgeräten für die inhaftierten Flüchtlinge.

In Koblanck betreibt die M&S-GmbH eine Flüchtlingsunterkunft. Am Rande des Ortes leben 80 Männer in alten LPG-Baracken. Eine schwierige Situation, da das Dorf selbst nur 150 Einwohner hat. Möglichkeiten, die Zeit totzuschlagen, gibt es für die Flüchtlinge kaum. Nur einmal im Monat werden sie mit einem Bus nach Neubrandenburg gefahren.

Verändert hat sich dieser Umgang mit Flüchtlingen seit dem Regierungswechsel und der Geschäftsübernahme durch SPD und PDS nicht. Bei der feierlichen Büroeröffnung des Flüchtlingsrates kam auch in anderen Fragen Unzufriedenheit mit der rosa-roten Politik zum Vorschein. So wird auch weiterhin, vor allem in den Landkreisen, sehr restriktiv mit der Möglichkeit der dezentralen Unterbringung von Familien und Asylbewerbern umgegangen, die bereits über Jahre in Gemeinschaftsunterkünften leben müssen. Eine Arbeitsgruppe, die neue Maßstäbe für Betreuungs- und Ausschreibungskriterien für die Gemeinschaftsunterkünfte festlegen soll, arbeitet bereits seit einem Jahr - ohne daß sich die Situation entsprechend den verkündeten Ansprüchen einer sozialdemokratisch-sozialistischen Regierung verändert hätte.

Parallel dazu fand die neue Ausschreibung und Vergabe von Flüchtlingsunterkünften entsprechend den billigsten Angeboten statt. Seit Regierungsantritt von Rosa-Rot im Oktober 1998 wurden bis Dezember 1999 452 Abschiebungen vollzogen. 391 Flüchtlinge, die Asyl beantragt hatten, reisten »freiwillig« aus.

Dustin Mohandas