Kölner Stadtanzeiger, 29.3.2000

Zypern-Konflikt

EU soll Türken umstimmen

Inselgriechen für gemeinsame Beitrittsverhandlungen

Von Gerd Höhler

Nikosia - Die griechischen Zyprer hoffen immer noch auf eine Teilnahme der türkischen Volksgruppe an den EU-Beitrittsgesprächen. Den Beitritt seines Landes zur Europäischen Union hält Zyperns Außenminister Jannakis Kassoulidis aber auch für möglich, wenn die Teilung der Insel bis dahin nicht überwunden werden kann. Die EU-Staaten müssten die Türkei in die Pflicht nehmen, sagte der Minister.

Auch EU-Kommissar Günter Verheugen versuchte zuletzt, die Zyperntürken zur Teilnahme an den Verhandlungen zu überreden. Doch Rauf Denktasch, Führer der Zyperntürken, blieb hart. Er verlangt separate Verhandlungen mit seiner 1983 einseitig ausgerufenen "Türkischen Republik Nordzypern" (KKTC). Diese wiederum erkennen die EU und die griechischen Zyprer nicht an.

"Wir wünschen uns weiterhin eine Mitarbeit der türkischen Volksgruppe in der Verhandlungsdelegation", sagte Kassoulidis dem "Kölner Stadt-Anzeiger" in Nikosia. Viel Hoffnung hat er aber nicht. Zypern ist gespalten, seit türkische Truppen im Sommer 1974 den Nordteil besetzten, um eine befürchtete Annektierung der Insel durch die damals in Athen regierende Obristenjunta zu verhindern.

Griechische und türkische Zyprer verhandeln seit Dezember über eine neue Verfassungsordnung. Wenn diese Gespräche fruchtlos bleiben und die Teilung andauert, hält Kassoulidis einen EU-Beitritt für besonders dringlich: Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, die Türkei könne den Beitritt Zyperns blockieren. Eher skeptisch bewertet der Politiker die Erfolgsaussichten der für Ende Mai bei den UN in New York angesetzten dritten Runde der Zypern-Vermittlungsgespräche. Dem türkischen Volksgruppenführer wirft er vor, die Verhandlungen mit Vorbedingungen zu blockieren. "Herr Denktasch muss nun Farbe bekennen", fordert der Minister. "Wenn wir jetzt keine Ergebnisse produzieren, wird das ganze Verfahren unglaubwürdig."

Während die Inselgriechen auf einen aus zwei Zonen bestehenden Bundesstaat hinarbeiten, favorisiert Denktasch einen lockeren Staatenbund. Er verlangt vor direkten Gesprächen auch die völkerrechtliche Anerkennung seiner KKTC, eine Forderung, die Kassoulidis als "absurd" bezeichnet. Schließlich verhandele man mit dem Ziel, die Teilung zu überwinden. Da mache es "keinen Sinn, zuerst einen Schritt zurückzugehen und die Spaltung zu legalisieren".

An die EU-Staaten appellierte der Minister, die Türkei an die Verpflichtungen zu erinnern, die sich aus dem in Helsinki vereinbarten Kandidatenstatus für sie ergeben. Kassoulidis: "Es ist nicht einzusehen, dass sich die EU für die Stabilität auf dem Balkan, im Nahen Osten oder im Kaukasus stark macht, Zypern aber ausgespart bleibt - das kann nicht im Interesse Europas sein."