taz Bremen, 29.3.2000

Illegale: Ohne Hoffnung auf Besserung

"MediNetz" engagiert sich für die medizinische Versorgung von Flüchtlingen, MigrantInnen und Menschen ohne Passpapiere / In dem Projekt arbeiten rund 20 Bremer Ärztinnen, Hebammen und zusätzlich Dolmetscher mit Flüchtlingsinitiativen mit "Diese Lückenbüßerfunktion nehmen wir nur mit Grummeln ein", sagt Petra Kaiser vom neu gegründeten "MediNetz" Bremen, einer medizinischen Vermittlungs- und Beratungsstelle für Flüchtlinge, MigrantInnen und Papierlose. "Es ist Aufgabe eines jeden Sozialstaates, eine medizinische Grundversorgung für alle zu gewährleisten." In der Bundesrepublik aber wird illegalisierten Menschen bisher nur punktuell geholfen. Deshalb gründeten 15 BremerInnen aus dem Gesundheitsbereich das "MediNetz". Rund 20 ÄrztInnen und Hebammen sowie DolmetscherInnen und Flüchtlingsprojekte wollen mitarbeiten.

Das ist aber noch lange nicht genug, machten Albrecht Müller, Frank Düvell, Volker Moshagen und Petra Kaiser von "MediNetz" gestern bei der Präsentation des Projekts klar: "Wir wollen an niedergelassene Ärzte und Ärztinnen appellieren, sich "MediNetz" anzuschließen, damit die Last auf mehrere Schultern verteilt werden kann." Bisher gab es nur vereinzelte ÄrztInnen, die PatientInnen anonym und kostenlos behandelt haben: Menschen, die auf dem Papier nicht existieren (dürfen), weil ihre Asylanträge abgelehnt wurden. Menschen, deren Touristenvisum abgelaufen ist oder die als ArbeitsmigrantInnen ohne Aufenthaltserlaubnis hier leben, aber auch "Halblegale" mit sogenannten "Grenzüberschreitungsbescheinigungen" oder "Fantasiepapieren".

"MediNetz" will sich dafür einsetzen, dass eine medizinische Grundversorgung für alle geschaffen wird. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Engagement der Ärztekammern: In Niedersachsen würde die Kammer eine Plakat-Aktion unterstützen, die in Arztpraxen zu der "uneingeschränkten medizinischen Versorgung von Flüchtlingen" aufruft. In Bremen könnte eine ähnliche Kampagne starten, um "verstärkt Druck für eine politische Lösung auszuüben", sagte Petra Kaiser. Beispiele dafür gibt es bereits in anderen Ländern: In Genf, so berichtet Dr. Frank Düvell, arbeitet die Behörde mit einer Poliklinik zusammen und ermöglicht so eine ärztliche Versorgung, ohne die Daten der PatientInnen weiterzugeben.

In Deutschland sind solche stationären Behandlungen nicht möglich, weil sie fast immer mit einer Abschiebung verbunden sind. "Die Krankenhausverwaltung wendet sich wegen der Kostenübernahme an das Sozialamt. Das Amt wiederum ist dazu verpflichtet, die Ausländerbehörde zu informieren", erklärt Petra Kaiser. Die Behandlung im Krankenhaus durch ÄrztInnen und das Krankenhauspersonal könnte durchaus anonym geschehen: Sie müssen ihre Schweigepflicht nicht brechen. Die Verwaltung, die das Geld für die Behandlung zurückbekommen will, sei vielmehr das Problem.

Unzureichend ist auch die medizinische Versorgung von AsylbewerberInnen. Sie sind auf engagierte ÄrztInnen angewiesen, weil sie nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nur bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen behandelt werden. Nur dafür gibt es eine Kostenübernahme: Prävention und gesundheitsfördernden Massnahmen übernimmt das Sozialamt nicht.

All diese Fälle will "MediNetz" nun dokumentieren, um zu zeigen, wie notwendig eine politische Lösung für die fehlende medizinische Versorgung ist. "Unser Ziel ist es, uns selbst überflüssig zu machen", sagt Petra Kaiser. Eiken Bruhn

Kontakt : Tel. 7901 959.