Frankfurter Rundschau, 29.3.2000

Zu Hause erwartete die ausgewiesene Bosnierin der sichere Tod

Eine Kranke musste trotz Warnung deutscher Ärzte in die Heimat zurück und starb dort, weil es an Medikamenten fehlt

Von Reinhard Voss (Düsseldorf)

Hamida Mujanovic ist tot. Die 42-jährige Bosnierin starb drei Monate nach ihrer erzwungenen Rückkehr aus Deutschland in die Heimat, weil dort ihr schweres Asthma nicht wirksam behandelt werden konnte. Hinweise deutscher Ärzte, dass eine Rückkehr das Leben der Patientin gefährde, ließen die zuständige Ausländerbehörde unbeeindruckt.

Nach dem Tod seiner Patientin am 17. November 1999 schrieb der bosnische Arzt Hamzic Nedreta an seine "Sehr geehrten Kollegen" in Deutschland einen Brief, der mit den Sätzen endet: "Dies schreibe ich Ihnen aus dem Grund, weil Frau Mujanovic und ihr Leben außerhalb der paraphierten Verträge zwischen Bosnien und Deutschland lag. Wir sind nicht flexibel. Aber traurig ist, dass auch Sie als eines der fortschrittlichsten und meist entwickeltsten Länder der Welt es auch nicht sind." Hamida Mujanovic hinterlässt Mann und zwei kleine Kinder. Die Familie war 1993 vor dem Bürgerkrieg in Bosnien ins rheinische Velbert geflüchtet. Nach dem Ende des Krieges wurde ihr erstmals im Juli 1997 die Abschiebung angedroht, "wenn Sie nicht zur freiwilligen Ausreise bereit sind". Schon damals litt Hamida Mujanovic an schwerem Asthma. Mehrmals hatte sie deshalb ins Krankenhaus gebracht werden müssen. Ärztliche Bescheinigungen und Atteste, die darauf hinwiesen, dass eine Rückkehr der Patientin nach Bosnien ohne Lebensgefahr nicht möglich sei, beeindruckten die zuständige Ausländerbehörde nicht.

"Nach den hier vorliegenden Unterlagen", so hieß es in der Antwort des Amtes, "ist der Standard der medizinischen Grundversorgung in Bosnien auf einem zufriedenstellenden Stand." Nach einem letzten gescheiterten Versuch, für die kranke Frau und ihre Familie aus zwingenden gesundheitlichen Gründen eine Verlängerung der Duldung zu erreichen, verließ die Familie im August vergangenen Jahres "freiwillig" Velbert. Zuvor war ihr erneut eine Zwangsabschiebung angedroht worden.

In ihrer Heimat, so heißt es in dem Brief von Arzt Nedreta an seine deutschen Kollegen, war Hamida Mujanovic "fast jeden Tag in meiner Praxis". Sie litt unter schwerem Asthma und einem Magengeschwür. Weil der Arzt selbst keine wirksamen Medikamente hatte, schrieb er ihr die Medikamente auf, die sie sich aus Deutschland besorgen solle: Atrovent Sol, Bricanilamp, Methylprednisolon, Volon und Bambec. Hier in Bosnien, berichtete Nedreta den deutschen Kollegen, herrsche Mangel an solchen wirksamen Medikamenten - "und wenn man passende Medikamente findet, bekommt man sie nur zu astronomisch hohen Preisen". Hamida Mujanovic hatte kein Geld, teure Medizin zu bezahlen. Und so gab es für ihren Arzt nach dessen eigenen Worten "in diesem Land unter diesen Umständen nichts, um Frau Mujanovic das Leben etwas zu erleichtern".

Weil sie immer schwächer wurde, besuchte Nedreta sie im Oktober und November vergangenen Jahres elfmal in ihrer Wohnung. Zuletzt am 17. November. In seinem Brief nach Deutschland heißt es dazu: "Exitus letalis, das war der letzte Hausbesuch um sechs Uhr morgens."

Der Ökumenische Arbeitskreis "Fremde brauchen Freunde" der Kirchengemeinden St. Paulus und Apostelkirche in Velbert, der die Familie Mujanovic während ihres Aufenthalts in Deutschland betreut hatte, trauert. Er beklagt, der Fall beweise einmal mehr die formalrechtlich zutreffende, jedoch "unmenschliche" Handhabung unseres Ausländerrechts.