Fuldaer Zeitung, 29.3.2000

Bewährungsstrafe für Geiselnahme

Gelnhausen (stö) Die Festnahme von PKK-Führer Öcalan in Kenia, die europaweit gewalttätige Demonstrationen auslöste, hatte auch Frankfurt nicht verschont. Das hatte für einige kurdische Demonstranten strafrechtliche Konsequenzen. Dazu zählte ein 20-jähriger Kurde aus Hasselroth, der sich jetzt als Heranwachsender vor dem Gelnhäuser Jugendschöffengericht unter Vorsitz von Richterin Sigrid Haas verantworten musste. Oberstaatsanwalt Jost-Dietrich Ort warf dem jungen erwerbslosen Kurden und Asylanten vor, am 16. Februar vorigen Jahres bei der Besetzung des Verkehrsamtes der Republik Kenia in Frankfurt durch etwa 100 Sympathisanten der PKK beteiligt gewesen zu sein, die die Freilassung Öcalans forderten. Dabei soll der 20-Jährige als Wortführer einer Demo-Gruppe, die sich hinter einer Glastür des langgezogenen Korridors verschanzt hatte, fünf Angestellte des Verkehrsamtes am Verlassen der Räumlichkeiten gehindert und gedroht haben, diese bei einem Polizeieinsatz aus dem vierten Stock zu werfen, das Gebäude in Brand zu stecken und die französische Botschaft durch die dortigen Besetzer in die Luft sprengen zu lassen. Der Belagerungszustand dauerte über zwölf Stunden. Erst als der Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit in dem besetzten Verkehrsamt aufkreuzte, konnte nach mehreren Verhandlungsstunden die Auflösung der Gewaltdemonstration erreicht werden. Anfang Oktober vorigen Jahres erkannte einer der eingesetzten Polizeibeamten den 20-jährigen Angeklagten auf der Straße wieder, und es erfolgte dessen Festnahme. In dem jetzigen Verfahren wurde der Angeklagte als Wortführer der damaligen Ausschreitungen wegen gemeinschaftlicher Geiselnahme in einem minder schweren Fall nach dem Jugendrecht zu einer 21-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Das Urteil entsprach in der rechtlichen Bewertung und in der Höhe des Strafmaßes dem Antrag von Oberstaatsanwalt Ort, der allerdings wegen der Schwere der Tat doch erhebliche Bedenken äußerte, aber schließlich die bisherige Unbescholtenheit des jungen Mannes und dessen erlittene sechsmonatige Untersuchungshaft honorierte. Der Verteidiger plädierte statt dessen nur auf Freiheitsberaubung und beantragte für seinen Mandanten eine Bewährungsstrafe nicht über einem Jahr. [KN]