Frankfurter Rundschau, 27.3.2000

Frankfurt

"Beschämende Geschichte", in Bildern dokumentiert

Ausstellung in der Katharinenkirche zur Vertreibung der Griechen aus der Türkei

"Unglaublich, wie damals auf der Zeil" - die Besucherin der Katharinenkirche ist fassungslos. Entsetzte Blicke auf die Fotos: Zu sehen sind eingeschlagene Fenster, geplünderte Geschäfte, demolierte Altare, brennende Häuser. Bilder, die an den 9. November 1938 erinnern. Aber dies ist keine Ausstellung über die "Reichskristallnacht", wenn auch sie die Ausmaße von rassistisch motivierten, gewalttätigen Ausschreitungen dokumentiert.

Das Ereignis, über das die Schautafeln mit Bildern und Texten informieren, spielte sich in der Türkei ab. In der Nacht vom 6. zum 7. September 1955 fand zeitgleich in Istanbul und Izmir ein Pogrom gegen die ethnischen Minderheiten statt. Die Ausschreitungen richteten sich insbesondere gegen Griechen, aber auch Armenier und Juden waren betroffen.

Staatlich gelenkt und inszeniert, wurden allein in Istanbul 83 Kirchen zerstört, viele Wohnungen und Geschäfte verwüsten. Nach diesem Ereignis verließen etwa 250 000 Griechen, Nachfahren der Byzantiner, die Türkei, kehrten gezwungenermaßen ihrer Heimat den Rücken.

Die Ausstellung "Anatolien, wo sind deine griechischen Kinder? Eine beschämende Geschichte..." erinnert an dieses Ereignis. Der Istanbuler Menschenrechtsverein (IHD) bereitete 40 Jahre danach das Thema auf. Der IHD stellte eine Dokumentation zusammen und schickt sie nun auf Wanderschaft - unter dem Motto "Denn das Gedächtnis ist die Quelle, woraus sich das Gewissen nährt. Eine Gesellschaft ohne Gedächtnis wird auch gewissenlos".

Frankfurt ist eine der Stationen, Berlin wird die nächste sein. "Wir möchten uns bei den Opfern und ihren Nachkommen entschuldigen", erklärte Hüseyin Aygül vom IHD bei der Eröffnung am Sonntag. Es sei aber auch wichtig, dieses Kapitel der türkischen Geschichte in Deutschland bekannt zu machen und darauf hinzuweisen, wie der Staat mit seinen Minderheiten umgegangen ist und weiterhin umgeht. Auch die Unterdrückung der griechischen und armenischen Minderheiten gehöre keineswegs der Vergangenheit an. Gerade wegen der Diskussionen um Waffenlieferungen an die Türkei und ihrer Aufnahme in die Europäische Gemeinschaft dürfe das nicht unbeachtet bleiben.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 15. April in der Katharinenkirche. Die Texte auf den Tafeln sind allerdings nur auf Türkisch. Es liegen Begleithefte mit Übersetzungen aus. top