Westdeutsche Zeitung, 24.3.2000

Kurdischer Familie droht täglich die Abschiebung

Von Chrismie Fehrmann

Krefeld. Für Sultan Manaz und ihre fünf Kinder im Alter zwischen neun und 17 Jahren ist das Leben derzeit eine einzige Zerreißprobe. Denn es ist grundsätzlich möglich, dass sie von heute auf morgen die Bundesrepublik verlassen müssen, abgeschoben werden. Ihr letzter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist negativ beschieden worden.

Ein schwerer Schlag für die Kurdin und ihre Kinder. Sie leben seit elf Jahren in der Seidenstadt und sind stark verwurzelt. Sohn Hüseyin wurde hier geboren. Auch für die anderen Kinder gibt es nur eine Heimat: "Krefeld."

Sevgi, die zweitälteste Tochter, besucht die Marienschule. In einem Brief setzen sich neun Lehrer mit ihren Unterschriften, allen voran Direktorin Schwester Gisela, dafür ein, dass die 16-jährige bleiben kann. In dem Schreiben heißt es: "Die Ankündigung, dass Sevgi möglicherweise Deutschland verlassen muss, hat bei ihrer Klasse Bestürzung ausgelöst und Anstoß zu einer Initiative gegeben, die eben dies verhindern soll. Sevgi müßte ohne Schulabschluss das Land verlassen. Wie soll ein junges Mädchen, das im Deutschunterricht engagiert über die Gleichberechtigung von Mann und Frau diskutieren durfte und sollte . . . mit der strengen Reglementierung in einem kurdischen Dorf zurecht kommen?", heißt es weiter. "Kann man es verantworten, einen jungen Menschen einer derartigen psychischen Zerreißprobe auszusetzen?"

Schulleitung und Kollegium der Klasse 9a "appellieren daher an die zuständigen behördlichen Institutionen, den Abschiebungsbeschluss gegen Sevgi Manaz, ihre Mutter und Geschwister aufzuheben." Sevgi war über den Brief mehr als gerührt. "Meine Mitschüler haben ebenfalls schon an OB Dieter Pützhofen geschrieben", weiß sie.

"1989 war Sultan Manaz mit Ehemann und Kindern in die Bundesrepublik eingereist. Der Vater stellte einen Asylantrag. Er wurde mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgelehnt", erklärt der mit dem Fall betraute Willicher Rechtsanwalt Hans-Dieter Poppe. "1991 stellte Sultan Manaz einen weiteren Asylantrag, der 1995 ebenfalls negativ beschieden wurde. Seit dem vergangenen Jahr ist das Verfahren rechtskräftig negativ beendet." Die im Februar beantragte Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde nach drei Tagen vom Fachbereich Ordnung der Stadt abgelehnt. Die Begründung: "Der Wunsch, im Rahmen einer Familienzusammenführung im Bundesgebiet verbleiben zu können, ist nicht realisierbar, da Sie nicht im Besitz eines festen Aufenthaltsrechtes im Bundesgebiet sind." Kurz: Die Familie war während des Asylverfahrens nur geduldet. Der Vater hat die Familie vor drei Monaten verlassen und ist untergetaucht.

"Die Stadt kann die Aufenthaltsgenehmigung erteilen", weiß der Rechtsanwalt. "Es ist Ermessenssache im Interesses des Staates oder des Einzelnen, wie entschieden wird." Der öfter gehörte Tenor, dass die Stadt Krefeld bei Asylverfahren strenger verfahre als andere Kommunen, weist der zuständige Beigeordnete Bernd Gansauer entschieden als unzutreffend zurück: "Es ist ein nachweisliches Faktum, dass die Erfolgsquote der Stadt bei Gericht über 95 Prozent liegt." Er bezieht sich darauf, dass das Ausländerrecht ein Bundesrecht ist, nach dem sich die Stadt richtet. "Uns sind die Hände gebunden."