Berliner Morgenpost, 23.3.2000

Vermander-Verfahren ausgeweitet

Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt auch in der Senats-Innenverwaltung

Von Jörg Meißner

Die staatsanwaltlichen Untersuchungen im Zusammenhang mit einer Aktenvernichtung beim Berliner Verfassungsschutz werden immer umfangreicher. Das Ermittlungsverfahren, das zunächst nur gegen den Chef des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), Eduard Vermander, lief, ist jetzt auf zwei weitere LfV-Mitarbeiter sowie auf zwei leitende Beamte der Senats-Innenverwaltung ausgedehnt worden. Das teilte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, gestern auf Anfrage mit.

Nach Informationen der Berliner Morgenpost soll es sich bei den Verdächtigen in der Innenbehörde um den für die Aufsicht über den Verfassungsschutz zuständigen Abteilungsleiter Axel Dechamps sowie einen Referatsleiter der Fachaufsicht handeln. Im LfV werde außer gegen Vermander gegen einen stellvertretenden Abteilungsleiter sowie ebenfalls gegen einen Referatsleiter ermittelt, heißt es. Die Justiz lehnte zu diesen Einzelheiten eine Stellungnahme ab.

Das Ermittlungsverfahren geht auf eine Anzeige des Grünen-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Wieland gegen Vermander vom Herbst 1999 zurück. Der LfV-Chef hatte im Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des Kurden-Überfalls auf das israelische Generalkonsulat am 17. Februar 1999 eingeräumt, einen von ihm gefertigten Aktenvermerk neu formuliert und die Vernichtung der Erstfassung angeordnet zu haben. Innen-Abteilungsleiter Dechamps gab als Zeuge im Ausschuss zu, das an ihn adressierte Exemplar der Erstfassung eigenhändig zerrissen zu haben.

Wieland und offensichtlich auch die Staatsanwaltschaft sehen in der Aktenvernichtung den Tatbestand des «Verwahrungsbruchs» nach Paragraf 133 des Strafgesetzbuches erfüllt. Danach handelt rechtswidrig, wer Schriftstücke, die sich in dienstlicher Verwahrung befinden, zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht. Als Sanktionen werden Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe angedroht.

Bei dem vernichteten Aktenvermerk handelte es sich um ein Gedächtnisprotokoll Vermanders vom 6. März 1999 über ein Telefonat mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 16. Februar 1999. Darin hieß es, in diesem Gespräch sei keine Rangfolge der durch die kurdische PKK möglicherweise gefährdeten Staaten festgelegt worden.

Am 9. März 1999 änderte Vermander auf Vorhalt von Innen-Abteilungsleiter Dechamps den Text, weil er mit Hinweisen von Innensenator Eckart Werthebach (CDU) auf eine vom Bundesamt angeblich übermittelte «Prioritätenliste» gefährdeter Staaten nicht übereinstimmte. Darin sollte Israel erst an vorletzter Stelle genannt worden sein. Nach der Änderung wurde die Ursprungsnotiz Vermanders vernichtet.