Sindelfinger Zeitung, 21.3.2000

In der Türkei steigt der Druck auf Scharping

Lieferung von 1000 Leopard-Panzern ist angeblich beschlossene Sache

Istanbul - Die Diskussion über das umstrittene Panzergeschäft mit der Türkei nimmt immer abenteuerlichere Formen an. Eine türkische Zeitung berichtete am Montag über Spekulationen, wonach Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping mit der türkischen Regierung hinter den Kulissen eine Absprache getroffen habe.

Von unserem Korrespondenten THOMAS SEIBERT, Istanbul

Danach soll Ankara dem deutschen Minister bei dessen Türkei-Besuch Ende vergangenen Jahres zugesagt haben, dem deutschen Rüstungsunternehmen Krauss-Maffei-Wegmann den Zuschlag für den Bau von 1000 Leopard-Panzern für umgerechnet 14 Milliarden Mark zu geben.

Zwar wies die Bundesregierung den Artikel in der englischsprachigen ¸¸Turkish Daily News'' als ¸¸wirklich absurde Spekulation'' zurück; westliche Diplomaten in Ankara reagierten aber mit Misstrauen auf die Veröffentlichung. Es ist möglich, dass der Bericht über die angebliche Geheimabsprache lanciert wurde, um die deutsche Seite unter Druck zu setzen.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die türkischen Militärs den Leopard für einen hervorragenden Panzer halten. Schließlich gibt es schon rund 400 Leopard-Panzer eines älteren Typs bei der türkischen Armee. Doch die Tests des Leopard-2 und der an der Ausschreibung teilnehmenden Panzer aus Frankreich, der Ukraine und den USA sind noch längst nicht abgeschlossen. Erst im Juli wollen sich Ministerpräsident Bülent Ecevit, Verteidigungsminister Sabahattin Cakmakoglu und Generalstabschef Hüseyin Kivrikoglu zusammensetzen, um über die Auftragsvergabe zu entscheiden.

Die türkische Regierung reagierte in den vergangenen Tagen irritiert auf die in Deutschland neu aufgeflammte Debatte über das Panzergeschäft. Zuerst wies Ecevit Medienberichte aus Deutschland zurück, wonach sich die Türkei bereits für den Leopard entschieden habe. Dann zeigte sich Ankara pikiert über den Parteitagsbeschluss der Grünen gegen Rüstungsexporte an die Türkei. Deutschland sei nicht das einzige Land auf der Welt, in dem es Waffen zu kaufen gebe, ließen sich Regierungsvertreter nach dem Grünen-Parteitag in der Presse zitieren.

Falls Ankara diese aus seiner Sicht ärgerlichen Entwicklungen mit einem erhöhten Druck auf Berlin kontern wollte, würde sich die ¸¸Turkish Daily News'' besonders gut eignen, denn das Blatt wird vor allem von ausländischen Diplomaten und Journalisten in der Türkei gelesen. Ob das tatsächlich des Pudels Kern ist, ließ sich am Montag nicht klären. Sicher ist aber, dass das Panzergeschäft auch gut zwei Wochen vor dem Staatsbesuch von Bundespräsident Rau in der Türkei ein ungelöstes Problem in den deutsch-türkischen Beziehungen bleibt.