Stuttgarter Nachrichten, 21.3.2000

Kurden wollen feiern und nicht kämpfen

Frühlingsfest Newroz steht unter dem Zeichen der Entspannung

Istanbul - Wie gefährlich ist der Buchstabe w? Gefährlich genug, um ein Veranstaltungsverbot zu rechtfertigen, meinte der Gouverneur von Istanbul und untersagte einen Empfang der Kurdenpartei Hadep zum kurdischen Frühlingsfest.

Von unserer Korrespondentin SUSANNE GÜSTEN, Istanbul

Das heißt nämlich Newroz, was auch auf den Einladungen stand - und weil es den Buchstaben w im Türkischen nicht gibt, sah der Gouverneur darin einen Verstoß gegen die gesetzliche Festlegung auf Türkisch als alleinige Amtssprache der Republik. Mit diesem Amtseifer steht Gouverneur Erol Cakir in diesem Jahr aber fast alleine da.

Vor dem ersten Newroz seit dem Ende des PKK-Krieges, das am Dienstag gefeiert wird, bemühten sich alle Beteiligten um Deeskalation. Anders als in der Vergangenheit genehmigten die türkischen Behörden die meisten Newroz-Kundgebungen, und die PKK rief zu einem Fest der Versöhnung auf. Nach Jahren blutiger Auseinandersetzungen zu Newroz könnte mit einem friedlichen Frühlingsfest das Ende des PKK-Krieges im Südosten besiegelt werden.

Als persisches Volk begehen die Kurden wie die Iraner alljährlich den Frühlingsbeginn am 21. März mit Feiern, bei denen Freudenfeuer angezündet werden und die jungen Männer über die Flammen springen. In der Türkei geriet das Fest im Verlauf des 15-jährigen Krieges gegen die PKK immer mehr zu einer Art kurdischem Kampftag gegen den Staat. Noch im vergangenen Jahr wurden nach Straßenschlachten bei Dutzenden verbotenenen Newroz-Kundgebungen mehr als 1500 Menschen festgenommen. Mit dem Abzug der PKK aus der Türkei ist nun nicht nur der Krieg zu Ende gegangen. Seit den Kommunalwahlen im vergangenen April werden erstmals Dutzende Städte und Gemeinden im kurdischen Südosten von der Kurdenpartei Hadep regiert.

Erstmals genehmigten die Behörden in Diyarbakir, der symbolträchtigen Regionalhauptstadt des Kurdengebiets, eine von der Hadep organisierte Kundgebung. Freilich wurden landesweit zehntausende Polizisten und Gendarmen in Alarmbereitschaft versetzt. Vorsichtiger Optimismus bestimmte auch auf der anderen Seite die Vorbereitungen. ¸¸Wir glauben, dass die türkische Regierung und die Sicherheitskräfte von Provokationen absehen werden und dass das kurdische Volk das erste Newroz des Jahrtausends als Friedensfest feiern wird'', erklärte ein PKK-Führungsmitglied. Selbst die deutsche Soli-Bewegung, die das Newroz-Fest jahrelang mit zahlreichen ¸¸Beobachterdelegationen'' begleitete, erwartet sich nichts mehr: Gerade einmal eine Reisegruppe kam auf den Newroz-Aufruf hin zustande.