Frankfurter Rundschau, 22.3.2000

Hunderttausende Kurden feiern friedlich Newroz

Allein in Diyarbakir 150 000 Teilnehmer / Türkische Polizei zurückhaltend / Hadep vermeidet Provokation

Von Dieter Balle

Zur größten politischen Kundgebung in der Geschichte der kurdischen Gebiete der Türkei ist Newroz-Feier in Diyarbakir geraten. Anders als in den vergangenen Jahren blieben bei der erstmals genehmigten Feier des kurdischen Neujahrsfestes Ausschreitungen oder Auseinandersetzungen zwischen Festteilnehmern und der Polizei zunächst aus.

DIYARBAKIR, 21. März. Weit mehr als 150 000 Menschen, darunter viele Familien, waren schon vom frühen Dienstagmorgen an mit hunderten Bussen, Lastwagen und Autos in den fünf Kilometer vor der Stadt gelegenen Park geströmt. Das mit Freudenfeuern, traditionellen Tänzen und Musik gefeierten Fest war von der Kurden-Partei Hadep organisiert worden und stand ganz im Zeichen der Forderung nach Frieden und Freiheit für die kurdische Bevölkerung. Als der Hadep-Vorsitzende, Ahmet Turan Demir, gegen Mittag auf der Mitte des Platzes das traditionelle Newroz-Feuer entzündete, wurde er von der Menschenmenge ebenso begeistert gefeiert wie der Oberbürgermeister der Stadt, Feridun Celik. Friedenstauben flogen in den vom Rauch der Freudenfeuer verdunkelten Himmel auf.

Die Hadep, die wegen ihrer vermeintlichen Nähe zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) unter ständigem Verbot und Verfolgungsdruck durch die türkischen Behörden steht, hatte die Kundgebungsteilnehmer strikt angewiesen, jegliche Sympathiekundgebung für die PKK zu unterlassen. Damit sollte den Polizeikräften kein Anlass zum Eingreifen gegeben werden. Während immer wieder Militärflugzeuge und Hubschrauber den Kundgebungsplatz überflogen, hielten sich die in der Umgebung aufmarschierten Polizeikräfte bei den obligatorischen Kontrollen auf den Anfahrtswegen merklich zurück. Allerdings hatte es nach Angaben der Hadep am Vorabend des Festes in verschiedenen Stadtteilen von Diyarbakir bei einigen ungenehmigten Freudenfeuern auf der Straße etwa 80 Verhaftungen gegeben. Auch in mehreren anderen kurdischen Städten und der türkischen Hauptstadt Ankara feierten Zehntausende friedlich und unbehelligt von den türkischen Sicherheitskräften; alleine in der Stadt Batman sollen es nach Angaben der Kurden-freundlichen Istanbuler Zeitung Özer Bakes 60 000 bis 70 000 Teilnehmer gewesen sein. In Izmir in der Westtürkei waren es laut türkischem Fernsehsender NTV 5000. In den Vorjahren waren die damals verbotenen Newroz-Feste stets von heftigen Straßenkämpfen begleitet worden.