Saarbrücker Zeitung, 22.3.2000

"Mehr Ehrlichkeit bei Debatte um Rüstungsexporte"

Interview mit dem neuen Aufsichtsrats-Chef der Dasa, Manfred Bischoff - Verschärfte Exportbeschränkungen gefährden Arbeitsplätze in Deutschland

Die europäische Luftfahrt-, Raumfahrt- und Rüstungsindustrie wird mit der Fusion von Dasa, Aérospatiale-Matra und Casa zum globalen Mitspieler. Über die Chancen des neuen Riesen am Weltmarkt und die Auswirkungen der deutschen Rüstungs-Exportbeschränkungen sprach unser Redaktionsmitglied Udo Rau mit dem neuen Aufsichtsrats-Chef der Dasa, Manfred Bischoff.

Frage: Mit dem Start der EADS tritt ein neuer Luftfahrt-, Raumfahrt- und Verteidigungs-Riese in das globale Geschäft ein. Welche Chancen sehen Sie, den dominierenden US-Konkurrenten Boeing und Lockheed-Martin näher zu rücken? Auch der Airbus-Partner British Aerospace Systems, der ja nicht gleich zum Start in die EADS einrücken wird, ist besonders in der Wehrtechnik weiterhin ein scharfer Konkurrent. Bischoff: Wir haben uns in den letzten Jahren im Wettbewerb zum Teil sehr gute Marktpositionen erarbeitet. Airbus lag beim Auftragseingang 1999 vor Boeing. Eurocopter war 1999 Marktführer im zivilen Hubschrauberbau, sogar auf dem US-Markt. Trotzdem erwarte ich auch in der Zukunft weiterhin einen scharfen Wettbewerb. Gerade die US-Firmen genießen die volle Unterstützung ihrer Regierungen und kommen aus einer ganz anderen historischen Position, was Exporte angeht. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir als deutsch-französisch-spanisches Unternehmen global erfolgreich sein werden.

Frage: Wann sehen Sie British Aerospace mit im EADS-Boot? Bischoff: BAE Systems hat bislang keinen Aufnahmeantrag für die EADS gestellt. Aber im Ernst: BAE ist unser wichtigster Partner bei Airbus, beim Eurofighter und in der Raumfahrt in unserem Gemeinschaftsunternehmen Astrium. Das wollen wir ausbauen.

Frage: Bedeutet die transnationale Konstruktion der EADS generell eine Erleichterung beim Export von Rüstungstechnik? Die Franzosen und die Briten operieren da ja viel pragmatischer als die Deutschen. Bischoff: Nein, denn eine neue Industriestruktur bewirkt ja noch keine Änderung der Rechtslage. Die Frage stellt sich ganz anders: Wenn wir in Europa wirtschaftlich arbeiten wollen, dann brauchen wir Kompetenz-Zentren. Das bedeutet, dass wir einen Produktionsverbund schaffen müssen, bei dem Abhängigkeiten voneinander entstehen. Dazu sind unsere Partner aber nur dann bereit, wenn wir in Deutschland keinen Sonderweg bei den Exportvorschriften gehen, sondern europäische Regelungen anwenden.

Frage: Welche Chance hat die deutsche Wehrtechnik-Industrie angesichts der jüngsten Verschärfungen der Exportbestimmungen durch die Regierung? Bischoff: Wenn diese Richtlinien so angewandt werden, wie sie formuliert sind, dann beeinträchtigt das die Chancen der deutschen Wehrtechnik massiv. Kürzliche Politiker-Äußerungen wie jene der Grünen-Politikerin Angelika Beer lassen den Schluss zu, dass dies so gewollt ist. Dann muss man aber auch klar sagen, dass der weitere Abbau von Arbeitsplätzen in der Verteidigungsindustrie in diesem Lande gewollt ist. Es ist eine Heuchelei zu fordern, wir sollten in der Lage sein, möglichst günstig die von der Bundeswehr benötigten Verteidigungsgüter zu liefern, wenn man uns nicht eine ausreichende Produktionsgrundlage und Exportmöglichkeiten wie unseren Wettbewerbern einräumt. Wenn ich eine günstige Produktion von Verteidigungsgütern - das ist ein wesentlicher Baustein zur Herstellung von nationaler Sicherheit - haben will, muss ich auch die Voraussetzung dafür schaffen, also die international üblichen Regeln beachten. Da muss mehr Ehrlichkeit in die Diskussion einkehren.

Frage: Drohen durch die restriktive Politik der Bundesregierung neben den von Haushalts-Sparkurs und Etatkürzungen bei der Bundeswehr bedrohten Arbeitsplätzen weitere Jobs verloren zu gehen? Bischoff: Ich fürchte, dass uns das droht. Es wird künftig auf die Handhabung dieser Richtlinien ankommen. Diskussionen etwa um mögliche Leopard-Lieferungen für die Türkei - das ist immerhin ein Nato-Partner - sind kontraproduktiv. Damit werden kostbares Know-how und Arbeitsplätze gefährdet. Das werden auch unsere europäischen Partner in der EADS sehr genau beobachten. Wir sollten gemeinsame Rüstungsstandards mit den Euro-Partnern vereinbaren. So erreichen wir politisch mehr als mit einem deutschen Sonderweg.

Frage: Wie beurteilen Sie die Chancen für eine Zusammenarbeit mit der osteuropäischen, insbesondere russischen und ukrainischen Luftfahrt-Industrie, wo ja noch viel Know-how, aber so gut wie kein Geld da ist? Bischoff: Das ist zurzeit eines der schwierigsten Kapitel. Bezüglich der Beschäftigtenzahl ist die Branche dort immer noch riesig. Diese Industrie ist für das Selbstverständnis der Menschen dort enorm wichtig, wird aber etwa bei der Elektronik dem Weltmaßstab noch nicht gerecht. Europäer und Amerikaner sollten versuchen, hier zu einer verstärkten Zusammenarbeit zu kommen.

Frage: Beim künftigen neuen Militär-Transportflugzeug haben die Europäer mit dem Airbus-Projekt A400M ja wohl den russischen Konkurrenten Antonov ausgebootet. Kann man Antonov denn nicht mit einbeziehen? Bischoff: Es gibt noch keine Entscheidung zur Transall-Nachfolge. Wir Airbus-Partner haben mit A400M ein Flugzeug angeboten, das den konkreten Anforderungen von sieben Partnernationen entspricht. Ob Russland und Ukraine auch Interesse an der A400M haben und deshalb industriell integriert werden können, können wir noch nicht beurteilen.

Frage: Kredite für die Entwicklung des Super-Airbus A3XX seitens der Bundesregierung scheinen ja nun politisch auch für die deutsche Seite gesichert. War die Beteiligung des Dasa-Werks Hamburg die Voraussetzung dafür? Bischoff: Es gibt jetzt Aussagen der Bundesregierung, dass wir gegenüber unseren Airbus-Partnern nicht benachteiligt werden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Airbus-Partner eine faire Entscheidung zur Endmontage und zur Aufteilung der Jobs in Entwicklung und Produktion treffen werden. Wir werden uns bei der Standort-Entscheidung vor allem von wirtschaftlichen Kriterien leiten lassen.