Frankfurter Rundschau, 22.3.2000

Hermes, der Götterbote der Kaufleute und Diebe, in globalen Zeiten

Angelika Köster-Loßack (MdB) plädiert für eine ökologisch, sozial und entwicklungspolitisch verantwortliche Exportförderung

Riesige, aber meist politisch umstrittene Investitionsvorhaben in Indien, China oder Russland lassen sich deutsche Firmen mit den so genannten Hermes-Bürgschaften absichern. Das jüngste Beispiel: Die Bundesregierung bürgt für ein Atomkraftwerk in China. Gegen diese Subvention von deutschen Firmen und von ökologisch, sozial und politisch höchst umstrittenen Projekten wendet sich im folgenden Beitrag die Bundestagsabgeordnete Angelika Köster-Loßack, die entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion der Bündnisgrünen ist.

Drei Ereignisse der vergangenen Wochen verlangen die dringende Umsetzung eines Vorhabens, das bereits im rot-grünen Koalitionsvertrag an exponierter Stelle angekündigt wurde: Die Reform der staatlichen Hermes-Bürgschaften. Ende Februar fand in Paris ein Treffen der OECD Export Credit Agencies (ECAs) über gemeinsame Umweltstandards statt. Die dürftigen Ergebnisse legen vor allem nahe, sich an eine Ansprache des Vorsitzenden der ExIm Bank, dem US Pendant von Hermes, zu erinnern. Im Oktober 1999 bescheinigte James Harmon vielen Exportversicherern, dass sie gern "grün predigen und schmutzig subventionieren". Die deutsche Seite hat sich bei der OECD-Harmonisierung von Umweltkriterien bisher als Bremserin betätigt.

Kurz nach dem unverbindlichen Treffen in Paris ging ein Siemens-Deal mit russischen und indischen Zulieferern für den Maheshwar-Staudamm in Indien durch die Presse. Fast 50 Prozent des durch Hermes abzusichernden Siemens-Auftrags sollen im Ausland abgewickelt werden, obwohl die Richtlinien für Ausfuhrgewährleistungen in der Regel nur eine Zulieferung von 10 Prozent erlauben. Das stärkste Argument des Wirtschaftsministerium zugunsten einer ausschließlich ökonomische Orientierung von Bürgschaften, die Sicherung deutscher Arbeitsplätze, wurde dabei arg ramponiert. Zu all dem kam schließlich Mitte März die Entscheidung, ein neues AKW in China zu verbürgen. Zusammen machen diese Ereignisse klar, dass die Zeit reif ist, heikle Einzelentscheidungen durch verbindliche neue Hermes-Regeln zu ersetzen.

Reformansprüche an die Exportförderung

Die nach der Allianz-Tochter Hermes AG benannten Hermes-Bürgschaften wurden im November 1999 50 Jahre alt. Diskret, in kleinem Kreis von Vertretern des Wirtschaftsministeriums, von Banken und Industrie, wurde im Roten Rathaus zu Berlin gefeiert. 400 000 Arbeitsplätze sichert die Hermes-Förderung laut Minister Müller; für den Zugang zu schwierigen Auslandsmärkten sind die Bürgschaften entscheidend. In 50 Jahren Nachkriegsgeschichte ist der Anteil öffentlich verbürgter deutscher Exporte zwar auf 3 Prozent gesunken, grundsätzlich wird dieses Instrument aber nicht in Frage gestellt, vor allem nicht von der Industrie- und Finanzwelt, die sich sonst so vehement für den Abbau staatlicher Dienstleistungen und für die Deregulierung der Finanz-, Waren- und Arbeitsmärkte einsetzt.

Seit mindestens 20 Jahren wird die Forderung nach einer Hermes-Reform von der außerparlamentarischen und parlamentarischen Opposition vorgetragen und seit 1997 von einem Netzwerk von Nicht-Regierungsorganisationen nachdrücklich verlangt. Auch den Kritikern geht es nicht um die Abschaffung der Exportförderung, sondern um eine Gewichtsverlagerung, weg von der konditionslosen Unterstützung der Exportindustrie, hin zu mehr Kohärenz zwischen außenwirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und menschenrechtlichen Zielen. Hermes, der Götterbote der Kaufleute und Diebe, soll zum Boten der Globalisierung mit sozialem und ökologischem Antlitz werden.

Dabei handelt es sich um keinen deutschen Spleen. Wie es in den meisten Industrieländern eine öffentliche Exportkreditversicherung gibt, gibt es auch Kritik und Reformbestrebungen, die zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt haben. In den USA haben sie z. B. einem sehr viel transparenteren Verfahren den Weg geöffnet, in dem die Abschätzung von Umweltrisiken weit verbindlicher geregelt ist als in Deutschland.

Wie funktioniert eine Bürgschaft? Hermes-Bürgschaften sollen Exporteure gegen die Zahlungsunfähigkeit ihrer Kunden absichern, die sich zu 97 Prozent in Entwicklungs- und mittel- und osteuropäischen Ländern befinden. Der Versicherungsfall tritt ein, wenn der Käufer nicht fristgerecht bezahlt, unabhängig davon, ob er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist. Gibt die Bundesregierung z. B. eine Garantie für Siemens, damit das Unternehmen die Ausrüstung für das brasilianische Atomkraftwerk Angra II liefert, dann wird als Gegengarantie eine Bürgschaft der brasilianischen Regierung verlangt. Kommt es zum politischen Schaden, weil der brasilianische Importeur zwar regelmäßig an die Zentralbank zahlt, diese aber nicht über genügend Devisen verfügt, um das Geld nach Deutschland zu transferieren, dann verwandelt sich die Schuld zweier Unternehmen in eine zwischenstaatliche Handelsschuld. Diese Handelsschuld ist im Gegensatz zu Krediten der Finanziellen Zusammenarbeit (Entwicklungszusammenarbeit) zu Marktzinsen zu bedienen und wird zum Bestandteil von Umschuldungsverhandlungen im Rahmen des Pariser Clubs der öffentlichen Kreditgeber.

Subvention und Schuldenlast

Bei Hermes entzündet sich der Streit immer wieder an Großstaudämmen und Rohstofferschließungsprojekten, am Export von Atomanlagen und Waffen. Wenn schon öffentliche Förderung, dann auch öffentliche Verantwortung und parlamentarische Kontrolle, auf diesen Kern lässt sich die Reform-Diskussion reduzieren. Dass durch Hermes-Bürgschaften deutsche Unternehmen subventioniert werden, daran besteht angesichts des Griffs in die Steuerkassen kein Zweifel. Allein in den Jahren 1990 bis 1998 traten Hermes-Schadensfälle in Höhe von 35,08 Mrd. DM ein. Der überwiegende Teil der Schadenzahlungen in Höhe von 32,07 Mrd. DM entfiel auf politische Schäden. Netto führte dies zu einem Hermes-Defizit von 16,7 Mrd. DM, das aus der Staatskasse zu begleichen war.

Auf der Seite der Abnehmer ist das Gewicht der Handelsschulden enorm. Laut Schätzung des IWF machten die Entwicklungsländer-Verbindlichkeiten aus staatlich gedeckten Handelsgeschäften 1996 etwa 24 Prozent der Gesamtschulden dieser Länder aus. Allein Brasilien, auf das neben Russland, China, Indonesien, der Türkei und Indien ein wesentlicher Teil des Hermes-Entschädigungsrisikos entfällt, hat zzt. mit einer Auslandsverschuldung von ca. 243 Mrd. US $ zu kämpfen. Wie die Turbulenzen der letzten drei Jahre in Asien, Russland und Brasilien gezeigt haben, gehört die Schuldenkrise keinesfalls der Vergangenheit an. Selbst wenn das Hermessystem für 1999 zum ersten Mal seit 1982 wieder mit einer positiven Bilanz aufwartet, ist das strukturelle Defizit der Exportförderung dadurch nicht überwunden. Dringend notwendig erscheint deshalb ein erweitertes Konzept zur Überprüfung der Verschuldungswirkung von Hermes.

Es kann nicht angehen, dass wie im Fall des Maheshwar-Staudamms in Indien die finanzielle Solidität eines Projektes ausschließlich an einer Gegengarantie der indischen Zentralbank festmacht. "Durch eine effiziente Wirtschaftlichkeitsprüfung für Großprojekte muss künftig ausgeschlossen werden, dass die Bevölkerung in Entwicklungsländern über Hermes-Bürgschaften Arbeitsplätze in Deutschland subventioniert", stellt Jürgen Hambrink, Geschäftsführer der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung vor kurzem auf einer Pressekonferenz in Berlin fest.

Letztlich gilt es zu vermeiden, dass das, was nach enger betriebswirtschaftlicher Abwägung kurzfristig als tragbar erscheint, mittel- und langfristig zum Mühlstein am Hals des deutschen Steuerzahlers und der Bevölkerung in den Entwicklungsländern wird. Gerade für letztere hat die Vergangenheit gezeigt, dass Strukturanpassung im Dienste des Schuldenabbaus identisch ist mit schwerwiegenden Einschränkungen der ohnehin prekären staatlichen Versorgungsleistungen: der Basisgesundheitssysteme, der Grundschulbildung und der allgemeinen Armutsbekämpfung. Dadurch werden die Entwicklungsanstrengungen dieser Länder insgesamt torpediert.

Einhaltung von internationalen Standards

Die Reform der Hermes-Bürgschaften nach ökologischen, sozialen und entwicklungspolitischen Gesichtspunkten, wie sie die Koalitionsvereinbarung der rot-grünen Regierung in Aussicht stellt, kann als ein konsequenter Schritt in Richtung einer ordnungspolitischen Gestaltung von Außenhandelsbeziehungen gesehen werden. Dies in einer Zeit, in der nationale und globale Räume immer enger werden und auf neue Art und Weise miteinander verwoben sind. Hermes-Bürgschaften leisten einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der deutschen Wettbewerbsposition und zur Erschließung schwieriger Märkte.

Vielfältige Wechselwirkungen von Handel, Umweltzerstörung, kriegerischen Konflikten und Migration legen gleichzeitig die Einsicht nahe, dass eine einseitige Ausrichtung der Exportförderung auf binnenwirtschaftliche Ziele (deutsche Arbeitsplätze) zu kurzsichtig ist. Mehr Kohärenz von Handelspolitik, Entwicklungs-, Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtspolitik muss deshalb angestrebt werden. Dies ist in einigen Fällen leichter als in anderen. Dort, wo es internationale Verträge oder good practice-Verfahren gibt, die operational und erprobt sind, sollen sie auch angewandt werden. Ansatzpunkte für eine entsprechende Prüfung von Hermes-Anträgen finden sich beispielsweise in den "Safeguard Policies" der Weltbank, die entwickelt wurden, um Schäden gegenüber "Dritten" (Umwelt, lokale Bevölkerung und wichtige Kulturgüter) zu verhindern.

Umwelt- und soziale Faktoren werden ohne großen bürokratischen Prüfaufwand bereits von der Weltbank, der US-amerikanischen Overseas Private Investment Corporation (OPIC) und der US Ex/Im-Bank berücksichtigt. Dabei werden eingehende Anträge auf Basis einer Checkliste verschiedenen Gefahren-Kategorien zugeordnet, so dass ein größerer Prüfaufwand nur für Projekte mit signifikanten ökologischen und sozialen Auswirkungen anfällt. Für den Großteil - insbesondere der von mittelständischen Unternehmen gestellten Anträge - entsteht kein Mehraufwand. Von der Industrie wird häufig angeführt, dass die Instrumente von Finanzierung und Bürgschaft strikt zu trennen seien und dass Hermes ausschließlich der Wirtschaftsförderung zu dienen habe. Für Fachleute der Entwicklungszusammenarbeit ist jedoch nicht einzusehen, warum für ein Großprojekt, an dem Firmen aus unterschiedlichen Ländern, oft auch die Weltbank und andere internationale und nationale Entwicklungsagenturen beteiligt sind, nicht einheitliche Maßstäbe gelten sollen. Es muss möglich sein, sich auf gemeinsame Prüfkriterien zu einigen. Wenn bei Hermes selbst kein ausreichender ökologischer und sozialer Sachverstand vorhanden ist, muss eine Umweltprüfung durch unabhängige Consultants erfolgen. Dies ist wie gesagt nur bei wenigen problematischen Projekten notwendig, so dass durch eine solche Prüfpraxis die Exportförderung nicht überlastet wird.

Förderausschluss und gezielte Unterstützung

Vereinfachend können auch Ausschlusskriterien wirken. Darunter fallen Atomgeschäfte und Rüstungsexporte. In den USA, Österreich, Holland und der Schweiz sind Rüstungsgeschäfte bereits von der Förderung ausgeschlossen, England hat gerade einen Vorstoß gestartet, Waffenlieferungen in die ärmsten Entwicklungsländer nicht mehr zu versichern. Lieferungen für Infrastruktur- und Rohstofferschließungsprojekte in ökologisch sensiblen Regionen wie Primärwälder und Schutzgebiete, Projekte, die die Umsiedlung Tausender von Menschen erfordern, sowie Geschäfte, die durch Bestechung und Korruption zu Stande kamen, sollten ebenfalls zum Ausschluss oder zum nachträglichen Verlust der Bürgschaft führen.

Allein durch diese wenigen Ausschlusskriterien lassen sich die Bedingungen für eine öffentliche Kreditversicherung wesentlich klarer fassen; ökologisch, sozial und friedenspolitisch zweifelhafte Unternehmungen werden so frühzeitig unterbunden. Gleichzeitig wird ein Beitrag zur Beschleunigung des Entscheidungsverfahrens geleistet, so dass höchst umstrittene Projekte, wie der Drei-Schluchten-, Maheshwar- und Ilisu-Staudamm, die Ministerien nicht wie heute jahrelang beschäftigen. Dadurch frei werdende Personal- und Deckungsressourcen können für andere Projekte eingesetzt werden, die gleich viele oder sogar noch mehr Arbeitsplätze sichern. Eine Schweizer Untersuchung, die sich 1996 mit dem Arbeitsplatzeffekt der Ausfuhrlieferungen für den Bau des umstrittenen chinesischen Drei-Schluchten-Staudamms beschäftigte, kam zu dem Ergebnis, dass durch eine alternative Mittelverwendung des Subventionsanteils statt 85 mindestens 140 Arbeitsplätze für 10 Jahre hätten gesichert werden können. Nur durch das Abwägen von Alternativen ist die Arbeitsplatzwirkung realistisch einzuschätzen.

Eine Hermes-Reform gefährdet also gerade nicht 400 000 Jobs, vielmehr erwächst durch sie die Chance zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, nicht zuletzt in Klein- und Mittelbetrieben und im Bereich von Zukunftstechnologien. Eine Notwendigkeit dafür lässt sich überall erkennen. Beim Ilisu-Staudamm in der Türkei wird Energie zu sehr hohen Kosten produziert werden. Als Alternative dazu stünde eine Modernisierung des türkischen Leitungssystems und Effizienzmaßnahmen für den Endverbrauch zur Verfügung.

Bleiben diese Maßnahmen aus, wird auch ein großer Teil der Energie des Ilisu-Kraftwerks verschwendet werden. Zudem bieten sich in der Türkei andere Energiequellen wie Wind- und Sonnenenergie oder hocheffiziente Gaskraftwerke an. Das Ankara-Gas-Power-Projekt, das auch von der Schweizer Exportrisikogarantie unterstützt wird, soll z. B. Energie zu einem Preis von 0,38 Mio. US $/Megawatt produzieren, während die von Ilisu erzeugte Energie 1,27 Mio. US $/MW kosten würde.

Und die Arbeitsplätze? Eine aktive Politik ist im Rahmen der Überschneidung von Bürgschaft und Finanzierung angesagt. Das Arbeitsplatzargument wird gerade in Hinblick auf weltweit agierende Unternehmen immer schwächer, da vor allem diese die Möglichkeiten der Produktionsauslagerung bereits jetzt stark nutzen. Die Episode um die Siemens-Zulieferungen für den indischen Maheshwar-Staudamm machen dies klar. Generatoren und Turbinen sollen in den russischen Firmen "Elektrosila" und "Leningradsky Metallischesky Zavod" gefertigt und in die Hermesdeckung einbezogen werden. Karl-Hermann Baumann, Vorsitzender des Aufsichtsrat der Siemens AG, zeichnet den Weg bereits in einem Beitrag für die Hermes-Festschrift vor: "Die entwickelten Industrieländer werden zwangsläufig Produktionen vermehrt aufgeben und traditionelle Arbeitsplätze in die kostengünstigeren Länder verlagern müssen. (...) Für den Exporteur der ,alten Länder' (Industrieländer, Anm. d. Verf.) heißt dies, dass er seine Fertigungspräsenz zu Hause reduzieren muss, sich dort zum Systemintegrator entwickelt und durch grenzüberschreitende Fusionen sich Zugang zu den neu entstandenen Absatz- und Kapitalmärkten sichert." Von dieser Seite, so lehrt die jüngere Geschichte, ist im Hinblick auf neue Arbeitsplätze nicht allzuviel zu erwarten. Deshalb ist es um so wichtiger, durch Bürgschaften und Finanzierungsinstrumente innovative Unternehmen zu unterstützen.

Klaus von Menges, Vorsitzender des Vorstandes Ferrostaal AG und der Arbeitsgemeinschaft Entwicklungsländer (AGE), sollte beim Wort genommen werden: "Die deutsche Industrie hat sich nicht zuletzt auf Grund der strengen Umweltgesetzgebung in Deutschland zu einem weltweiten Vorreiter des Umweltschutzes entwickelt. Sie ist zugleich einer der leistungsfähigsten Lieferanten von Umwelttechnologien und Umwelt-Know-how. Vor diesem Hintergrund kommt der verstärkten Zusammenarbeit von Wirtschaft und Entwicklungspolitik beim Umweltschutz große Bedeutung zu."

Vorschläge zur Hermes-Reform

- Bevorzugung sozial und ökologisch nachhaltiger Exporte

- Screening-Verfahren für alle Anträge und Prüfung der Umwelt- und Sozialverträglichkeit problematischer Projekte auf Grundlage der Weltbank-Richtlinien

- Verbot der Versicherung von Rüstungsgütern

- Keine Förderung von Atomanlagen

- Prüfung der Verschuldungswirkung von Hermes-Krediten auf Entwicklungsländer

- Sicherstellung, dass im Falle von Korruption ein Vertragsbruch vorliegt und die Bürgschaft hinfällig wird

- Transparenz der Bürgschaftsvergabe durch Veröffentlichung von Projekttyp und Projektort vor der Bürgschaftsvergabe

- Erweiterung des Sachverständigenrates für die Vergabe von Hermesbürgschaften um Umwelt- und Entwicklungssachverständige

- Beteiligung des BMU im Interministeriellen Ausschuss (IMA)

- Beteiligung der Öffentlichkeit in den Abnehmer- sowie in den Lieferländern (z. B. Anhörungsrecht und Recht der Stellungnahme von NROs)

- Parlamentarische Kontrolle: Ausschüsse sollen frühzeitig informiert und Einsprüche vor der Deckungszusage behandelt werden.

Mehr Transparenz und parlamentarische Kontrolle

Die heutige Bürgschaftspraxis leidet an einem weiteren Problem, der fehlenden Transparenz. Diese ist nicht zuletzt dafür verantwortlich, dass es keine genauen Daten über die Effizienz der Hermes-Förderung gibt. Ihr ist auch zuzuschreiben, dass kaum frühzeitig auf hochriskante und von negativen externen Effekten begleitete Projekte aufmerksam gemacht werden kann. Dem Parlament wird außer der jährlichen ex-ante Festlegung des generellen Ausgaberahmens kein Mitspracherecht eingeräumt. Bei einer Deckungssumme von über 500 Mio. DM und bei Exporten von Atomanlagen und Waffen ist der Haushaltsausschuss zu informieren. Dies geschieht jedoch regelmäßig im Nachhinein.

Hier wäre es angemessen, die Grenze der Deckungssumme, die zum Anlass einer frühzeitigen Beratung in den Ausschüssen gemacht wird, wesentlich zu senken (z. B. auf 50 Mio. DM) und eine Vorabinformation mit Einspruchsrecht zu verankern. Außerdem müssten je nach Problemlage die parlamentarischen Fachausschüsse einbezogen werden. Von den über 33 000 Neuanträgen, die jährlich bei Hermes eingehen, gelangen nur ca. 500 überhaupt in das oberste Entscheidungsgremium, den Interministeriellen Ausschuss (IMA); der Rest wird routinemäßig von den sogenannten Mandataren Hermes AG und PwC Deutsche Revision abgewickelt. Sollte man sich auf verbindliche Ausschlusskriterien einigen, würde nur eine ganz minimale Zahl problematischer Projekte im Jahr übrigbleiben. Diese könnten einer gründlichen Überprüfung unterzogen werden. Zu ihnen ist auch eine kompetente Stellungnahme der zuständigen Ausschüsse möglich.

Darüber hinaus sollte sich der IMA den kritischen Sachverstand der NROs zu Eigen machen, indem er die Information zu problematischen Projekten, wie dies in den USA bereits geschieht, frühzeitig ins Internet stellt. Dadurch wird unterschiedlichen gesellschaftlichen Interessengruppen die Möglichkeit zur Stellungnahme geboten, so dass vor einer Bürgschaftsentscheidung auf problematische Vorhaben hingewiesen wird.

Ökologische und soziale Kompetenz in die Entscheidungsgremien

Da das bisherige Hermes-System über keine soziale und ökologische Kompetenz verfügt, muss diese auf unterschiedlichen Ebenen organisiert werden. Dies kann, wie schon ausgeführt, durch die Einbeziehung der NROs via Recht auf Stellungnahme geschehen, aber auch über die Berufung von Umwelt- und sozialen Sachverstand in den IMA (in dem heute bis zu 12 BeraterInnen ausschließlich aus Exportwirtschaft und Banken sitzen) bis hin zur Auftragsvergabe von Umweltgutachten an externe Consultants. In Umweltfragen allein auf die spärlichen Angaben der Exportindustrie zu vertrauen, die dann nicht einmal kompetent ausgewertet werden können, ist auf jeden Fall unzureichend.

Reform als Chance

Die Hermes-Reform strebt eine Gewichtsverlagerung an, weg von der konditionslosen Unterstützung der Exportindustrie, hin zu mehr Kohärenz mit anderen Politikfeldern. Die Modernisierung der Exportförderung muss als Chance begriffen werden, diese zeitgemäßen Standards von internationalen Handelsbeziehungen zu unterwerfen, wie sie von der europäischen Verhandlungskommission als Umwelt- und Sozialstandards auch für die WTO-Runde in Seattle gefordert wurden. Nach außen gewandt, stellt die Hermes-Reform eine konsequente Fortführung alternativer binnenwirtschaftlicher Strategien dar. Atomausstieg, Effizienzmaßnahmen bei Leitungssystemen und Endverbrauch sowie die Förderung regenerativer Energien markieren den Raum für energiepolitisches Handeln, das auf Nachhaltigkeit zielt und als Leitgedanke auch für die Exportförderung tragend sein sollte.

In einer Umgewichtung der Förderung liegen enorme Wachstumspotenziale. Durch eine starke Ökologiebewegung konnten in den 80er Jahren der Regierung in Deutschland verbindliche staatliche Vorgaben im Umweltbereich abgerungen werden. Deutsche Unternehmen mussten sich anpassen und unter neuen Rahmenbedingungen produzieren, was sich im Nachhinein als gute Grundlage für eine stärkere internationale Wettbewerbsposition entpuppte.

Auf internationaler Ebene stehen wir heute vor vergleichbaren Herausforderungen: Unternehmen müssen durch staatliche Politik unterstützt, aber auch gelenkt werden. Mit der Reform der Hermes-Bürgschaften steht die politische Gestaltbarkeit der Globalisierung auf der Tagesordnung.