junge Welt, 21.3.2000

Stolpernde Beamte

Nach Tod eines Asylbewerbers Ermittlungen gegen SEK- Beamte eingestellt

Der Tod eines bulgarischen Asylbewerbers, der im Dezember an den Folgen zweier Schüsse aus der Waffe eines Polizisten verstarb, wird kein juristisches Nachspiel haben. Am Donnerstag stellte die Staatsanwaltschaft Braunschweig die Ermittlungen gegen den Todesschützen ein. Der Asylbewerber Dr. Zdravko Nikolov hatte sich im Dezember in Braunschweig in seiner Wohnung eingeschlossen und mit Selbstmord gedroht, weil er in Abschiebehaft genommen werden sollte (jW berichtete). Bei der Stürmung der Wohnung durch ein aus Hannover herbeigerufenes SEK- Kommando wurde der Bulgare durch zwei Schüsse getroffen. Einige Tage später erlag er im Krankenhaus seinen Verletzungen.

Nach den nun abgeschlossenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft soll Dr. Nikolov mit einem Messer auf die SEK-Beamten losgegangensein. Den Polizisten sei es nicht gelungen, dem Bulgaren das Messer zu entreißen. Beim Versuch, seinen Angriffen auszuweichen, seien zwei Beamte übereinander gestolpert. Einer der beiden sei dann weiter mit dem Messer attackiert worden. Mit zwei Schüssen - einen in den Arm und einen in die Brust - habe dieser sich zur Wehr gesetzt. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft war der Schußwaffengebrauch aufgrund einer »Notwehrsituation« durch das Niedersächsische Gefahrenabwehrgesetz legitimiert.

Der Bulgare war vor seiner Ausreise in die BRD wegen Tätigkeit für die kommunistische Dimitroff-Jugend in seiner Heimat »politischer Verfolgung und Folterungen ausgesetzt«, wie der Landtagsabgeordnete Christian Schwarzenholz (PDS) gegenüber jW erklärte. Sein Asylantrag wurde jedoch abgelehnt. Trotz ärztlich festgestellter Traumatisierung und Suizidgefährdung bestand die Braunschweiger Ausländerbehörde auf Abschiebung. Für Schwarzenholz steht deshalb fest, daß »dramatische Polizeifehler und Gnadenlosigkeit der Braunschweiger Ausländerbehörde« zum Tod von Dr. Nikolov führten, dessen Tötung man »auf jeden Fall hätte verhindern können«.

In einer Antwort auf eine Anfrage des Landtagsabgeordneten hat die Landesregierung in Hannover inzwischen den Tod des Bulgaren bedauert. Konsequenzen aus dem tödlichen Ausgang des Polizeieinsatzes will man dort aber nicht ziehen.

In einer Pressemitteilung kritisierte Schwarzenholz die Flüchtlingspolitik der BRD: »Ein durch und durch inhumanes Asylrecht in Deutschland, ausgeführt von Verantwortlichen, denen zur Erreichung ihrer Ziele fast alle Mittel recht sind, führen, verbunden mit einer inhumanen Polizeistrategie, zu einer weiteren Aushöhlung demokratischer Rechte in Deutschland.«

David Janzen