Frankfurter Rundschau, 21.3.2000

FR-Spezial: KURDISTAN

Ankara erwägt Lockerung des Sprachverbots für Kurdisch

öhl ATHEN, 20. März. Die Kurdenfrage rückt mehr und mehr in den Mittelpunkt der Beziehungen der Türkei mit der EU. EU-Kommissar Günther Verheugen hat bei Gesprächen mit der türkischen Regierung kürzlich nach eigenen Angaben eine Lösung des Kurdenproblems angemahnt. Ministerpräsident Bülent Ecevit hielt dagegen, in der Türkei gebe es überhaupt keine Kurdenfrage. Doch während sich Ecevit noch öffentlich jede Einmischung verbittet, Polizei und Justiz die Repression der kurdischen Bürgerrechtsbewegung verstärken und kurdische Politiker demonstrativ verhaftet werden, arbeitet das türkische Außenministerium bereits an Kompromissformeln. Nach Informationen der Zeitung Turkish Daily News erstellte eine Arbeitsgruppe des Ministeriums jetzt ein Papier, das die rechtliche Situation ethnischer und religiöser Minderheiten in den EU-Staaten analysiert. In einem zweiten, derzeit in Arbeit befindlichen Kapitel wird es um die notwendigen Korrekturen in der Kurdenpolitik gehen. Auch in der Frage des Kurdisch-Verbots im Schulunterricht zeichnet sich ein Kompromiss ab. Zwar wird es in den staatlichen Schulen bei Türkisch als einziger offizieller Unterrichtssprache bleiben. Aber denkbar wäre die Zulassung von Kurdisch-Kursen an privaten Schulen.

Die Experten des Außenressorts haben bereits eine Anzahl von Verfassungsartikeln und Strafgesetzbuchparagraphen identifiziert, die geändert werden müssen. Bei Reformen müssten aber Ecevits rechtsradikaler Koalitionspartner MHP und das Parlament mitarbeiten. Ihm steht auch Streit mit den mächtigen Militärs und deren Helfern im Sicherheitsapparat, Justiz und Verwaltung ins Haus.