Neue Zürcher Zeitung, 20.03.2000

Iranische Lockerungsübung gegenüber Amerika

Kritisches Lob für Exporterleichterungen

Die iranische Regierung hat am Wochenende die Teilaufhebung der amerikanischen Wirtschaftssanktionen und die damit verbundenen Schuldbekenntnisse Amerikas begrüsst, aber die Aufnahme eines offiziellen Dialogs weiterhin ausgeschlossen. Der indirekte Austausch der USA und Irans hat jedoch mittlerweile ein hohes Mass der Sachlichkeit, Offenheit und verblüffenden Selbstkritik erreicht.

vk. Limassol, 19. März

Die amerikanische Staatssekretärin Albright hat es in iranischen Augen doch etwas zu eilig gehabt mit ihrem Ölzweig der Sanktionenerleichterung, der gleich einen formellen Dialog zwischen Regierungsstellen Teherans und Washingtons eröffnen sollte. Gewiss liess sich auch mancher von Albrights Neujahrswünschen zum 21. März in persischer Sprache rühren, doch erkennt jeder, dass der wahre Anlass für die Charme-Initiative nicht in der Frühlingssonnenwende zu suchen ist, sondern in der erwarteten politischen Wende nach dem Sieg der Reformer in der iranischen Parlamentswahl vor einem Monat.

Verteidigung des Revolutionsführers
Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats in Teheran, dessen Vorsitz Präsident Khatami innehat, kritisierte die amerikanische Geste als mangelhaft, weil das Wirtschaftsembargo gegen Iran nicht gänzlich aufgehoben werde. Er anerkannte freilich das erste detaillierte Bekenntnis der USA, dass 1953 ihr Staatsstreich gegen Mosaddegh, dann ihre schrankenlose Unterstützung des Schah-Regimes und nach der Revolution die Schlagseite im ersten Golfkrieg zugunsten des Iraks den Iranern viel Schaden zugefügt hätten. Der iranische Beamte verwehrte sich auch gegen Einmischung in innere Angelegenheiten, weil Albright das Fehlen an demokratischer Kontrolle über die iranische Polizei, die Revolutionswächter und den Justizapparat - das heisst die verfassungsmässigen Prärogativen des Revolutionsführers - bemängelte. Auch könne man das Programm zur friedlichen Nutzung der Kernenergie nicht einfach als Nuklearwaffenprogramm verschreien. Aus dem alten Politestablishment meldeten sich die Revolutionswächter mit der Forderung, Amerika müsse nach seinem Eingeständnis nun die Iraner für alles Ungemach der Diktatur entschädigen.

Das iranische Aussenministerium, das schliesslich den Dialog mit den USA führen wird, nahm die Aufhebung des amerikanischen Verbots der Einfuhr von Teppichen, Dörrfrüchten und Kaviar aus Iran mit viel genauer dosiertem Optimismus auf: «Gewiss werden wir diese Geste mit gleichwertigen eigenen Massnahmen aufwiegen», versicherte der iranische Uno-Botschafter Nejad- Hosseinian vor einem amerikanischen Publikum in Washington. Dann nahm er Albrights teilweise selbstkritische Ausführungen mit ebenso grosser Offenheit auf: Demokratie in der Islamischen Republik reife erst allmählich heran. Die Atmosphäre von Stabilität und Vertrauen sei nunmehr für hohe Verantwortliche wie auch für das Volk so stark geworden, dass sie den Iranern mehr Raum für Selbstkritik gewähre. So könnten sie die Chancen zur Verbesserung nutzen und die egalitären Prinzipien der islamischen Revolution in ihrer besonderen Spielart der Demokratie anwenden. Im scharfen Kontrast zu den doktrinären Slogans früherer Jahre bekannte er: «Wir sind noch immer in einem Lernprozess begriffen, wir formulieren erst einen nationalen Konsens über das Tempo der Veränderung und der Reformen.»

«Unrealistische Einladung»
Dieser Diplomat nahm dann aber kein Blatt vor den Mund: «Trotz all ihren Versicherungen ist die amerikanische Regierung ebenso wenig bereit zum offiziellen Dialog wie die iranische. Diese Aufforderung ist unrealistisch.» Zur Begründung nannte Nejad-Hosseinian einerseits einen Mangel an Vertrauen und Glaubwüdigkeit, anderseits das Problem des fehlenden gegenseitigen Respekts und der Ungleichheit. Ein Dialog könne nur in einer unbelasteten Atmosphäre fruchtbar sein, ohne Sanktionen, ohne leere Anklagen und ohne Selbstüberschätzung. Er sprach der amerikanischen Nahostpolitik jede Glaubwürdigkeit ab, wo sie doch den einen den Besitz der Massenvernichtungswaffen verbiete, aber Israel unangetastet lasse und mit allen Kräften zu dessen Aufrüstung beitrage. Auch die amerikanische Haltung im Friedensprozess sei für die Iraner von der totalen Schlagseite zugunsten des jüdischen Staats überschattet.

Eine genaue Prüfung zeigt, dass die Zwiesprache hier bereits läuft. Da sind iranische Antworten auf Frau Albrights Angebot: «Die USA sehen eine wachsende Anzahl gemeinsamer Interessen. Wir haben zum Beispiel beide ein Interesse an der Stabilität und am Frieden im Persischen Golf. Iran lebt in einer gefährlichen Nachbarschaft. Wir unterstützen regionale Beratungen zum Abbau von Spannungen und zur Vertrauensbildung.» Frau Albrights regionalpolitische Anforderungen an Iran nehmen allmählich Formen an, deren Behandlung dank der wachsenden Subtilität der iranischen Diplomatie nicht mehr unmöglich erscheint. Ein Verzicht auf Polemik gegen die Israel-Verhandlungen, Aufklärung über die Rüstungskooperation mit Russland, Bekämpfung des Terrorismus sind in Teheran keine Fremdwörter mehr. Lediglich die Rückversicherung gegen konservative Eiferer der islamischen Revolution ist noch mangelhaft, und auch die amerikanische Politik ist noch nicht von ideologischen Verzerrungen frei.