Frankfurter Rundschau, 20.3.2000

Bollwerk gegen Flüchtlingsschutz

Im Blickpunkt: Petitionsausschuss nimmt Asyl-Beauftragten ins Visier

Von Ursula Rüssmann (Frankfurt a. M.)

Leidgeplagte Rechtsanwälte sprechen nur von der "Asylbewerber-Abschreckungsbehörde". Gemeint ist der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten, der sicherstellen soll, dass in Sachen Asyl bundesweit einheitlich entschieden wird. Dass er das auch unter Rot-Grün nur zu Lasten von Flüchtlingen tut, prangern jetzt der Bundestags-Petitionsausschuss und Flüchtlingsorganisationen an. Innenminister Otto Schily müsse einschreiten, fordern sie.

Nur selten - in etwa vier Prozent der Anträge - gewährt das Bundesamt zur Anerkennung ausländischer Flüchtlinge Asyl, und wenn doch, dann wurde der Fall vorher gründlichst durchleuchtet. So war es auch bei dem Afghanen Omar K. (Name geändert), dem die Entscheider des Bundesamtes 1996 Asyl gaben. Sie hatten sich überzeugen lassen, dass er als Militär gegen die islamischen Fundamentalisten gekämpft hatte und bei einer Rückkehr nach Afghanistan in Lebensgefahr wäre. Asyl bekam ein Jahr zuvor auch ein chinesischer Flüchtling: Er hatte 1989 am Aufstand in Peking teilgenommen, war verhaftet worden, nach der Haft einer uigurischen Untergrundgruppe beigetreten und geflohen, als er fürchtete, verraten zu werden. Dass das Bundesamt die beiden schützen wollte, stieß dem Bundesbeauftragten im bayerischen Zirndorf übel auf. Er klagte. Folge: Der afghanischen Familie wurde das Asyl wieder aberkannt. Der Uigure zittert noch, wie das Verwaltungsgericht entscheiden wird. Ähnlich hart traf es Kosovo-Albaner, türkische Christen und Kurden. Mindestens gegen jeden zweiten positiven Bescheid des Bundesamts, sagt der Münchner Asyl-Anwalt Albrecht Göring, klagt der Bundesbeauftragte. Das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) geht vorsichtiger von 30 Prozent aus. Jährlich legt er einige tausend Rechtsmittel ein, allein 1999 waren es mehr als 4100. Allerdings ist die Behörde mit Klaus Blumentritt an der Spitze in den vergangenen 20 Jahren kein Mal zu Gunsten eines abgelehnten Asylbewerbers aktiv geworden. "Sie ist parteiisch", rügt denn auch Wolfgang Grenz, Asylreferent von Amnesty International (AI): "Klar, dass die Bundesamts-Entscheider sich kaum noch trauen, auch mal fortschrittlicher zu votieren."

Deutliche Kritik kommt auch vom Petitionsausschuss. Er sieht in der einseitigen Klagepraxis der Behörde einen klaren Verstoß gegen deren Auftrag. SPD-Obmann Bernd Reuter im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau: "Um bundesweit eine einheitliche Entscheidungspraxis zu gewährleisten, müsste der Bundesbeauftragte zumindest stichprobenartig auch Ablehnungen überprüfen."

Der tut das aber nicht, und zwar, wie er dem Ausschuss im Februar lapidar mitteilte, "aus organisatorischen und personellen Gründen". Im Übrigen, so Blumentritt auf Anfrage der Frankfurter Rundschau, könnten Asylbewerber gegen Ablehnungen selbst klagen. Damit aber will sich der Petitionsausschuss nicht zufrieden geben. Das Bundesinnenministerium (BMI) müsse einschreiten und den Bundesbeauftragten anweisen, seine Praxis zu ändern, verlangen die Vertreter der Koalitionsfraktionen. Derzeit laufen erste Gespräche mit Innen-Staatssekretärin Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD), die allerdings bisher keinen Handlungsbedarf sah. Wenn der Austausch nicht fruchte, müsse ein Bundestagsbeschluss angestrebt werden, sagt Grünen-Obmann Helmut Wilhelm. Schützenhilfe bekommen die Parlamentarier vom UNHCR Deutschland, das ebenfalls Verbesserungen wünscht und am kommenden Freitag mit Ministeriumsvertretern verhandeln will. Hauptkritikpunkt der UN-Behörde: Durch die Klagen des Bundesbeauftragten würden ausgerechnet Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen häufig jahrelanger, "unzumutbarer" Aufenthalts-Unsicherheit ausgesetzt.

Besonders scharf schießt die bundesweite Rechtsberaterkonferenz, in der Anwälte, Wohlfahrtsverbände und UNHCR zusammenarbeiten. Die Praxis von Blumentritts Amt sei, so Sprecher Rainer Hofmann, "dazu verkommen, immer dann zu klagen, wenn ihm ein Ergebnis nicht passt". Indem die Behörde "die Fälle durch die Instanzen treibt", habe sie sich zum "wesentlichen Motor" der immer restriktiveren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gemacht. Und zwar nach den Worten von AI-Mann Grenz ganz gezielt da, wo die überfällige Weiterentwicklung des deutschen Asylrechts verhindert werden soll: bei der Anerkennung nichtstaatlicher oder frauenspezifischer Verfolgung als Asylgrund.