junge Welt, 18.3.2000

Wem gilt die Solidarität der Roten Hilfe?

jW sprach mit Roger Hasenbein, Bundesvorstandsmitglied und Sprecher der Roten Hilfe e. V.

F: Die Rote Hilfe ruft am heutigen Samstag zur Solidarität mit den politischen Gefangenen auf. Was ist für diesen Tag an Aktivitäten geplant? Bundesweit finden zum Tag der politischen Gefangenen etwa 30 verschiedene Aktionen statt, darunter größere Demonstrationen in Hamburg, Berlin, Stuttgart und Duisburg. Darüber hinaus sind es Knastkundgebungen, Informationsveranstaltungen, Flugblattaktionen und Solidaritätspartys, mit denen speziell in diesen Tagen auf die Situation politischer Gefangener aufmerksam gemacht werden soll.

F: Woher kommt die Idee zu einem solchen Solidaritätstag?

Die Idee greift zurück in die Geschichte der Roten Hilfe. Am 22. November 1922 wurde auf dem IV. Weltkongreß der kommunistischen Internationale die Internationale Rote Hilfe (IRH) gegründet. Einer der ersten Beschlüsse der IRH war die Ausrufung eines internationalen Tages der Solidarität mit den politischen Gefangenen, der bereits ein halbes Jahr später, am 18. März 1923, zum ersten Mal durchgeführt wurde. Mit der Festlegung dieses Tages sollte vor allem das Bewußtsein für die Lage der politischen Gefangenen weltweit geschaffen werden.

F: Wen zählt die Rote Hilfe zu den politischen Gefangenen?

Politische Gefangene sind all jene, die im Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung in die Knäste gekommen sind, die Opfer der herrschenden kapitalistisch-imperialistischen Verhältnisse wurden. Weltweit sitzen politische Gefangene großenteils unter extremen Bedingungen in Gefängnissen und sind häufig mit dem Tod bedroht. Zwei der hier bekanntesten Gefangenen, beide zum Tode verurteilt, sind der afroamerikanische Journalist Mumia Abu-Jamal und der Vorsitzende der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, in der Türkei. In deutschen Knästen sitzen mehr als 150 kurdische und türkische Revolutionäre, ebenso wie Menschen aus dem antifaschistischen Widerstand und totale Kriegsdienstverweigerer. Als Opfer der Siegerjustiz sind Funktionsträger der DDR wie Egon Krenz in Haft. Aufgrund von Aussagen gekaufter Kronzeugen befinden sich wegen angeblicher Mitgliedschaft in den Revolutionären Zellen mehrere Menschen in Haft. Im letzten Jahr wurde Andrea Klump aus Wien in die BRD ausgeliefert, da gegen sie wegen Mitgliedschaft in der RAF ermittelt wird. Zum Teil seit über 20 Jahren befinden sich sechs Gefangene aus der RAF im Knast: Rolf Heißler, Rolf Clemens Wagner, Brigitte Mohnhaupt, Christian Klar, Eva Haule, Birgit Hogefeld.

Um speziell über die Situation der Gefangenen aus der RAF zu informieren und der Forderung nach ihrer überfälligen Freilassung Nachdruck zu verleihen, hat die Rote Hilfe zu diesem 18. März eine Broschüre herausgebracht.

F: Das heißt, Rote-Hilfe-Solidarität und Grüße an die politischen Gefangenen gehen über Parteigrenzen und politische Differenzen hinweg?

So ist es zu verstehen, entsprechend auch dem organisations- und strömungsübergreifenden Selbstverständnis der Roten Hilfe. Der gemeinsame Nenner ist die Repression, die von diesem Staat ausgeht, und die Solidarität gilt allen fortschrittlichen, demokratischen und revolutionären Menschen, die davon betroffen sind.

Interview: Peter Preiß

*** Kontakt: Rote Hilfe e.V., Postfach 3255, 37022 Göttingen, Telefon (0551) 7708008, Fax (0551) 7708009, E-Mail: bundesvorstand@rote-hilfe.de, Internet: www.rote-hilfe.de

A k t i o n e n

* 18. März 2000

Berlin: Demonstration gegen den Abschiebeknast Grünau, 14 Uhr Schloßplatz Köpenick (S-Bhf Spindlersfeld); Solidaritätsparty für die politischen Gefangenen, 22 Uhr Köpi, Köpenicker Straße 137

Duisburg: Demonstration »Freiheit für alle politischen Gefangenen«, 11 Uhr König-Heinrich-Platz. Antirepressionsveranstaltung, 14 Uhr, Gertrud Bäumer Schule, Klöckner Str. 48, Duisburg-Neudorf

Erfurt: 13 Uhr Fischmarkt Kundgebung

Frankfurt/Main: Demonstration »Der Zerschlagung alternativer Lebensräume entgegenwirken! Freiheit für alle politischen Gefangenen - weltweit!«, 14 Uhr ab Bockenheimer Warte (Uni)

Hamburg: 16 Uhr Kundgebung vor der JVA Santa Fu

Hannover: Veranstaltung »Freiheit für alle politischen Gefangenen«, 18 Uhr, JUZ, Kornstr. 28-30

Ingelheim: 12 Uhr Demo gegen den Abschiebeknast, Treffpunkt Bahnhof

Nürnberg: 14 Uhr Kundgebung an der Lorenzkirche

Saarbrücken: 12 Uhr Kundgebung St. Johanna Markt

Stuttgart: 11 Uhr Kundgebung Schloßpatz, 15 Uhr Kundgebung und Demo vor der JVA Stammheim