Tagesspiegel, 18.3.2000

Ein Panzer für Joschka

Christoph von Marschall

Pünktlich zum grünen Parteitag rasselt der "Leopard II" wieder durch die Nachrichten. Im Herbst hat der Streit um einen Testpanzer für die Türkei Rot-Grün an den Rand des Koalitionsbruchs gebracht. Doch nun löst das Reizwort keine gesteigerte Unruhe aus. Haben die Zumutungen der letzten Tage und Wochen die Grünen so abgestumpft: der Streit um die Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat, die Hermes-Bürgschaften für den Export deutscher Atomkraftwerke, die Spürpanzer für die Emirate? So kann Politik doch keinen Spaß machen - weder den Linken noch Joschka Fischer, der damit rechnen muss, für diese Frustrationen in Karlsruhe abgewatscht zu werden. Doch wenn Du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her ... Manche Grüne scheinen fast dankbar zu sein, dass es den "Leopard" gibt. Politik ist eine Frage des Zeitpunkts. Der Streit, das war im Herbst; da konnte der grüne Vizekanzler die Lieferung eines Testpanzers nicht verhindern. Nun aber schließt die Voranfrage des Herstellers Krauss-Maffai die Reihen der Grünen. Nach den neuen, schärferen Richtlinien für Rüstungsexporte, die die Koalition zwei Tage vor dem Weihnachtsfest präsentierte, können sie jetzt nur Nein sagen zu den Leos für die Türkei. An Nato-Verbündete wird zwar grundsätzlich geliefert, nicht aber an Staaten, die die Menschenrechte massiv verletzen. In der Türkei kann da noch keine Rede von einer substanziellen Verbesserung sein. Noch nicht. Je länger die offizielle Anfrage der Türkei auf sich warten lässt, je mehr sich Ankara um eine Entspannung der Kurdenfrage bemüht, desto größer die Chance, dass der Export der Panzer am Ende genehmigt wird. Kanzler Schröder muss ein Interesse daran haben - schon wegen seines Wahlkampfversprechens: Jobs, Jobs, Jobs.

Ja, müsste die Koalition heute entscheiden, dann wäre die Zerreißprobe da. Aber sie muss ja nicht, sie kann warten. Kein Problem also für Joschka Fischer. Anders als bei der Atomtechnik für China und den Spürpanzern für die Emirate muss er sich hier nicht rechtfertigen, dass er eine Entscheidung gegen die grüne Seele zugelassen hat. Er selbst hat ja immer die Auffassung vertreten, das Panzergeschäft sei vorerst nicht möglich. Eine scharfe Resolution des Parteitags gegen den Leo-Export tut ihm nicht weh. Hilft aber vielleicht, andere Vorhaben der Realos durchzusetzen.

Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Irgendwann wird sich die Türkei entscheiden - für den "Leopard" oder die US-Konkurrenz. Sich an die Hoffnung zu klammern, die proamerikanische Fraktion in Ankara werde sich durchsetzen und Rot-Grün den Konflikt ersparen, ist keine Politik. Die Richtlinien für Rüstungsexporte sollten im Winter den Koalitionsfrieden befördern, praxistauglich sind sie nicht. Das belegt fast jeder neue Anwendungsfall. Der Kurdenkonflikt als Hindernis für das Panzergeschäft mit der Türkei? Der "Leopard" eignet sich nicht für die kurdische Gebirgsregion. Keine Spürpanzer "Fuchs" für die Emirate, weil die ganze Golfregion ein Spannungsgebiet ist, für Rüstungsgeschäfte also tabu sein soll? Das hieße, einem potenziellen Aggressionsopfer die Mittel zur Verteidigung zu verweigern. Waffen sind auch nicht nur destruktiv, ihre abschreckende Wirkung hat manchen potenziellen Angreifer abgehalten, hat Frieden bewahrt.

In Karlsruhe könnte ausgerechnet ein Panzer Frieden stiften bei den Grünen. Dann aber müssen die Exportrichtlinien an die Realitäten dieser Welt angepasst werden. Damit "Leoparden" und "Füchse" nicht zu einer ernsten Bedrohung für den Koalitionsfrieden werden.